Predigt

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Liebe Brüder und Schwestern,

 

auf französisch heißt das heutige Fest „Fête-Dieu“, Gott-Fest oder Fest Gottes. Wir kennen viele Feste in unserem Leben. Wir feiern Geburtstage, Hochzeiten, Jubiläen, alles mögliche…
Heute aber feiern wir einfach Gott, unseren Gott, den lebendigen Gott, den großen Gott, der uns so nah ist, der uns so sehr liebt, der für uns Mensch geworden ist, der für uns so sehr gelitten hat, der für uns durch den Tod gegangen ist, der lebt in alle Ewigkeit, unseren Gott, der bei uns ist im Allerheiligsten Sakrament des Altares. Wer alles hat, aber Gott nicht hat, ist in Wirklichkeit der ärmste Mensch der Welt. Wer nichts hat, aber Gott hat, ist der reichste Mensch der Welt. Das ist die Wahrheit. Nur Gott kann unsere Herzen füllen. Nur Er kann uns wahres Leben geben. Glaube und Liebe allein können das heutige Fest feiern. Nur Glaube und Liebe können spüren, welche Freude dieses Fest schenkt.

 

Fronleichnam Therese

 

Wir müssen wie die Kinder werden, die Blumen streuen. Wer sich schämt, ein Kind zu sein, kann das Reich Gottes nicht erben, kann das Glück dieses Tages heute nicht verstehen. Klein werden wir, wenn wir demütig die Knie beugen. Dann haben wir die richtige Perspektive. Die hl. Therese von Lisieux, die „kleine“ Therese, erzählte über ihr Glück bei der Fronleichnamsprozession: „Welche Freude, Blumen vor den Schritten des lieben Gottes zu streuen! Aber bevor ich sie fallenließ, warf ich sie so hoch ich konnte, und am frohsten war ich, wenn die Blüten die hl. Monstranz berührten.“ Ja, „wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich gelangen“!
Wir feiern Gott, den wahren, den lebendigen Gott, der sich offenbart und sich geschenkt hat. Wir feiern Christus, der uns so sehr liebt, daß Er als das lebendige Brot in der Mitte Seiner Kirche bleibt. Brüder und Schwestern, in den Tabernakeln unserer Kirchen schlägt wirklich ein lebendiges Herz, das Herz unseres Gottes. Das ist ein großer Trost in dieser oft so trostlosen Welt. Wie schön ist es, in eine Kirche zu kommen und das ewige Licht zu sehen. Das ewige Licht zeigt uns: Gott ist bei euch, Er hat euch nicht verlassen! Stellen wir uns vor: die vielen Tabernakel, in denen Christus wohnt, in aller Welt, in großen Kathedralen, in kleinen ärmlichen Kapellen, in Klöstern und Pfarrkirchen, in riesigen Metropolen und kleinen Dörfern, auch bei den verfolgten Christen. Es wäre schön, eine Weltkarte zu haben, auf der alle Tabernakel eingezeichnet sind, überall kleine Flämmchen. Es wäre ein Lichtermeer. Was für ein Trost! „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ (Lk 12,32) „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“(Mt 28,20) Und es wäre schön, eine zweite Karte zu haben, wo all die Orte eingezeichnet sind, wo Christus auch angebetet wird, wo er nicht im Tabernakel vergessen ist, wo er nicht als bloßes Symbol gedankenlos mißbraucht, sondern wo Er liebend verehrt wird. Wo wie bei uns in Oschersleben eucharistische Anbetung gehalten wird… Es gab eine Zeit, wo man meinte, es sei modern, die Anbetung für überflüssig zu erachten und abzuschaffen. Welche Kurzsichtigkeit! Der Glaube wird hohl und trocknet aus. In den letzten Jahren hat man aber – Gott sei Dank – vielerorts wieder begonnen, den eucharistischen Herrn anzubeten. Ich bin schon viel gereist und herumgekommen. Und ich habe den Eindruck, daß überall da, wo die Kirche sich erneuert, wo in der Wüste Blumen blühen, ein Geist der Anbetung herrscht. Die Erneuerung der Kirche geschieht auf den Knien, so sagte mir neulich ein Priester. Ja, die Erneuerung der Kirche geschieht nicht durch ausgeklügelte Programme und Strategien, sondern durch das liebende und hörende Verweilen vor dem lebendigen Herrn, der uns liebt und der wirklich unter uns da ist. Wir können zu Ihm kommen, unser Herz vor Ihm ausschütten, bei Ihm sein.

 

Ja, Gott hat uns nicht verlassen! Wohl aber, liebe Brüder und Schwestern, können wir Menschen Ihn verlassen, Ihn verraten, Ihn vergessen, Ihn verachten und mißbrauchen. Und dann sind wir gottverlassen, nicht weil Gott uns verlassen hätte, sondern weil wir Ihn verlassen haben. Wo der Mensch nicht mehr diesen wunderbaren Gott als den Mittelpunkt Seines Lebens hat, sondern sich selbst ins Zentrum stellt, wo der Mensch eine Welt ohne Gott aufbaut, wo er nicht mehr zu Ihm hinstrebt, sondern sein eigenes irdisches Paradies bauen will, da wird die Welt nicht menschlicher, sondern da wird sie in Wirklichkeit unmenschlich, da baut er sich kein Paradies, sondern eine Hölle auf Erden, eine komfortable und klimatisierte Hölle, aber doch eine Hölle, da breitet sich eine eiskalte Gottesfinsternis aus, da stirbt Gott, nicht in sich, denn er ist das Leben selbst, wohl aber in unseren Herzen. Und dann bewahrheitet sich das ernste Wort eines afrikanischen Hirten, daß in den alten christlichen Ländern des Westens die Menschen deshalb nicht mehr zur Kirche kommen, „weil sie nicht den Verwesungsgeruch Gottes riechen wollen“.

 

Überall aber, wo das heutige Fest nicht nur aus Tradition, sondern aus lebendigem, kindlichem Glauben begangen wird, überall, wo Menschen sich freuen können, daß der lebendige Gott unter ihnen ist, wo Menschen nicht zu stolz sind, die Knie zu beugen und wie Kinder in ihrem Herzen die Blütenblätter hoch in die Luft zu werfen, überall da atmen wir die freie Luft des Himmels, sehen wir schon das Licht der wahren Sonne, ahnen wir schon den Klang der Musik des Himmels und schmecken die Speisen des himmlischen Hochzeitsmahles. Darum, Brüder und Schwestern, nehmen wir die Freude des heutigen Tages zum Anlaß, Gott neu zu sagen und zu zeigen, daß wir Seine Kinder sind, daß wir Ihm Seine Liebe glauben und daß wir Ihn lieben wollen. Amen