Die heiligmachende Gnade

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6 So JK B 2015 Liebe Brüder und Schwestern, wenn Sie einen Freund haben, und dieser Freund ist sehr nett zu Ihnen und hilfsbereit, aber er hat Sie um fünftausend Euro betrogen oder er hat versucht, Ihre Frau zu verführen, dann werden Sie zu diesem Freund ein gebrochenes Verhältnis haben, bis er sich für seine Tat entschuldigt, selbst dann, wenn er sich ansonsten wie der beste Freund der Welt verhält und tut, als sei nichts gewesen. Und sogar dann, wenn Sie selbst die Größe haben, Ihren Freund trotz seines Vergehens weiterhin zu lieben. Solange die Schuld nicht vergeben ist, ist die Freundschaft gebrochen. Alle Vergleiche hinken, aber ich glaube, dieser Vergleich kann uns etwas in Bezug auf unser Gottesverhältnis verdeutlichen. Ich möchte etwas zur Sprache bringen, was zu unserem Glauben gehört, heute aber sehr vielen Katholiken gar nicht bewußt ist. Durch die geheimnisvolle Erb-oder Ursünde, durch die alle Menschen von Beginn an wie vergiftet sind, sind wir schon als Neugeborene in einem Zustand der Gottferne. Die Freundschaft Gottes mit uns ist zerbrochen. Ich gebe zu, daß die Lehre von der Erbsünde sehr schwer zu verstehen ist, aber sie ist meiner Meinung nach auch die einzige vernünftige Erklärung für den furchtbaren Zustand der Menschheit, der uns täglich durch die Nachrichten vor Augen geführt wird. Die Freundschaft mit Gott ist zerbrochen. Und zwar auch dann, wenn wir ganz nette Leute sind, uns sozial engagieren und die staatlichen Gesetze treu einhalten. Wir müssen umkehren. Und Gott muß uns seine Gnade schenken. Sonst sind wir für immer und ewig Gott fern und damit verloren. Und Gott hat uns gezeigt, welchen Weg Er dafür vorsieht: In der Taufe versetzt uns Gott in den sogenannten Stand der Gnade. Wir sind nun wirklich in einem Freundschaftsverhältnis mit Gott. Wir sind erlöst. Und Gott wohnt sogar in uns. Glaube und Taufe gehören aber zusammen. Das Geschenk der Taufe kann sich später ohne persönlichen Glauben nicht entfalten. Und umgekehrt wäre ein Glaube, der meinte, ohne die Taufe auszukommen, dem Irrtum verfallen, der Mensch könne sich selbst erlösen. Gott hat schon vor der Taufe mit seiner Gnade an uns gewirkt, aber jetzt wohnt Er in uns. Papst Benedikt sagte einmal: „In der Taufe entzündet der Herr gleichsam ein Licht in unserem Leben, das der Katechismus die heiligmachende Gnade nennt. Wer dieses Licht bewahrt, wer in der Gnade lebt, der ist heilig.“  Ja, aber wir sind schwache Menschen. Wir bemühen uns, aber wir fallen auch. Es kann passieren und passiert oft, daß ein Mensch sich bewußt von Gottes Willen abwendet. Dann hat er gleichsam das Licht seiner Taufkerze selber ausgeblasen. Das kann z.B. – was heute fälschlicherweise von vielen als Lappalie gewertet wird – der Fall sein, wenn einer das Sonntagsgebot verletzt, obwohl er genau weiß, daß der Herr selbst ihn eingeladen hat und auf ihn wartet. Das Licht der heiligmachenden Gnade kann dadurch in uns ausgelöscht werden. Wir sind noch von Gott geliebt, denn ER ist die Liebe, aber unsere Freundschaft mit Ihm ist zerbrochen. Wenn wir uns nicht zu Christus bekennen, kann Er nicht in uns bleiben. Wenn wir nicht in der Liebe bleiben, kann die Liebe nicht in uns bleiben. Der hl. Johannes sagt in seinem Ersten Brief: „Wer bekennt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott. Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.“ (4, 15f) Freundschaft mit Gott bedeutet, daß wir in Gott bleiben und Gott in uns. Dazu sind wir berufen. Und wenn das nicht mehr unser Ziel für uns und andere wäre, dann wäre unser kirchliches Leben nichts weiter als hohle Tradition.

In der heutigen Ersten Lesung aus dem atl Buch Levitikus und im Evangelium geht es um Reinheit bzw. Unreinheit. Jesus heilt einen als unrein geltenden Aussätzigen, aber es geht hier natürlich nicht nur um die Heilung von Aussatz und ähnlich furchtbaren Kankheiten, sondern um die Reinheit des Herzens, die Jesus uns bringen will. An anderer Stelle des Evangeliums sagt der Herr: „Seht ihr nicht ein, daß das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann? Denn es gelangt ja nicht in sein Herz, sondern in den Magen und wird wieder ausgeschieden […] Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.“ (Mk 7,18-23)

Liebe Brüder und Schwestern, worum sollen wir also Gott bitten? Das ist ganz wunderbar ausgedrückt im heutigen Tagesgebet[i]. Dieses lateinische Gebet ist schon in einer um das Jahr 700 zusammengestellten Gebetssammlung (Sacramentarium Gelasianum) enthalten und nun wieder ins Römische Meßbuch gelangt, allerdings mit einer sehr ungenauen deutschen Übersetzung. Ich will deshalb versuchen, das Original genauer wiederzugeben, denn seine Worte zeigen sehr gut, worum wir beten müssen: „Gott, der Du versicherst, in aufrechten und reinen/ehrlichen Herzen zu bleiben, gib uns durch Deine Gnade, uns als solche Menschen zu erweisen, in den Du zu wohnen geruhst.“ Damit ist gesagt: 1) Gott sichert uns zu, daß er in aufrechten und reinen/ehrlichen Herzen wohnen bleibt, nachdem Er sie durch die Taufe mit der heiligmachenden Gnade beschenkt hat. 2) Wir müssen Ihn bitten, daß wir auch wirklich so leben und existieren, daß ER in unserem Innern wohnen bleiben kann, daß also die Freundschaft bestehenbleibt. Das heißt, wir bitten Ihn, daß wir durch unsere Entscheidungen mit seiner Gnade mitwirken können. 3) Auch dazu brauchen wir seine Gnade. Denn ohne seine Gnade ist das unmöglich. Die Gnade geht unserer Erlösung voraus und sie begleitet sie. Wir haben aber kein Recht darauf, deshalb bitten wir darum.

Aber was ist, wenn ich die heiligmachende Gnade schon verloren habe? Wenn ich zwar getauft bin, aber die Freundschaft wieder zerbrochen ist? Im Zweiten Petrusbrief heißt es: „Sie waren dem Schmutz der Welt entronnen, weil sie den Herrn und Retter Jesus Christus erkannt hatten; wenn sie sich aber von neuem davon fangen und überwältigen lassen, dann steht es mit ihnen am Ende schlimmer als vorher. Es wäre besser für sie, den Weg der Gerechtigkeit gar nicht erkannt zu haben, als ihn erkannt zu haben und sich danach wieder von dem heiligen Gebot abzuwenden, das ihnen überliefert worden ist. Auf sie trifft das wahre Sprichwort zu: Der Hund kehrt zurück zu dem, was er erbrochen hat, und: Die gewaschene Sau wälzt sich wieder im Dreck.“ (2, 20-22; vgl. Hebr 10, 26ff)

Aber, Brüder und Schwestern,  niemand soll verzweifeln, denn Verzweiflung ist unchristlich. Sie kommt immer vom Teufel und nie von Gott. Die harten Worte Petri sind sicher auf den bezogen, der sich endgültig und ohne umzukehren von Gott abwendet. Durch die Kirche bietet Gott jedem, auch dem größten Sünder bis aufs Sterbebett immer wieder den Weg der Reue und des Bekenntnisses an zur Erneuerung der heiligmachenden Gnade, damit Gott auf immer in uns wohnen bleibt und wir in Ihm. Amen