„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

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Predigt zum 29. So JK C, 21.10.2013

Liebe Brüder und Schwestern, am Ende des heutigen Evangeliums (Lk 18,1-8), bei dem es – wie in der ersten Lesung auch – um die Macht des Gebetes geht,  stellt Jesus eine Frage, die uns eigentlich in den Ohren gellen müßte: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben finden?“ Wem stellt der Herr diese Frage? Und warum beantwortet er sie nicht selbst? Uns stellt ER diese Frage. Und die Beantwortung dieser Frage hängt von uns selbst ab. Sie hängt nicht von unserem Schicksal ab, sondern von unserer Freiheit. Auch ganz persönlich im Leben des Einzelnen stellt sich diese Frage: Wird jedoch der Menschensohn, wenn Er zu dir kommt, bei dir noch Glauben finden? Der Glaube ist kein sicherer Besitz, den wir ein für alle Mal in der Tasche hätten. Und beim Glauben geht es um nichts weniger als um unser ewiges Heil. Denn, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: wir können auch verlorengehen. Der Glaube ist uns geschenkt, damit dies nicht geschieht.

Der Glaube, um den es geht, ist der Glaube der Kirche und nicht irgendein vages Glaubensgefühl oder irgendein Glaube an irgend jemanden da oben. Manche sagen: „Da oben gibt es jemanden, und nach dem Tod kommt noch was“ und halten sich für gläubige Menschen. Aber das ist nicht der Glaube, der rettet, nicht der Glaube, von dem wir hier sprechen. So schreibt Paulus an Timotheus: „Bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast.“ Der Glaube beruht auf Offenbarung, also auf dem, was Gott vor allem durch Jesus Christus selbst von sich gezeigt, mitgeteilt und geschenkt hat. Diesen Glauben lernen wir durch Glaubenszeugen kennen (z.B. unsere Eltern) und müssen uns dann davon selber überzeugen, uns ihn persönlich aneignen. Immer wieder erzählen Erwachsene, daß sie lange Jahre in die Kirche gegangen sind, bevor ihr Glaube zu einer persönlichen Beziehung mit Gott wurde. Bei diesem Glauben, der also sowohl kirchlich wie auch persönlich ist, geht es um das Leben Gottes selbst. Deshalb ist dieser Glaube nicht irgend etwas Schwammiges und Unbestimmtes, sondern er ist ein klares Licht und hat konkrete Glaubensgeheimnisse zum Inhalt, z.B. daß Gottes Sohn wahrhaft Mensch geworden ist. Diese Glaubensgeheimnisse hängen alle auf wunderbare Weise untereinander zusammen, z.B. das Glaubensgeheimnis von Maria mit dem von der Eucharistie. Auch in der Natur ist ja Leben nicht irgend etwas Schwammiges, sondern etwas sehr klar Strukturiertes, wie z.B. unsere Organe, die nach einem wunderbaren Plan aufgebaut sind und funktionieren. Ein Krebsgeschwür bedroht dann dieses Leben. Das Geschwür ist zwar auch Gewebe und besteht auch aus Zellen, aber es dient nicht dem Plan, es paßt nicht in den Organismus, es greift das Leben an und kann zum Tod führen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß dieser konkrete Glaube verteidigt werden muß. Wenn uns eine Sache wertvoll erscheint, dann sichern und verteidigen wir sie. Wenn Sie bspw. mit dem Fahrrad zur Kirche kommen, dann schließen sie ihr Fahrrad ab, damit es nicht gestohlen wird. Ein Freund von mir, der sehr sportlich gebaut ist, hat in Magdeburg auf der Straße den Dieb getroffen, der sein Fahrrad gestohlen hatte. Er hat den Dieb vom Rad gestoßen und es sich wieder mitgenommen. Wenn eine Sache uns etwas wert ist, dann verteidigen wir sie. Der Glaube ist nun das Wertvollste, was wir haben. Wenn wir den Glauben verlieren, was ist dann all das andere noch wert? Also müssen wir auch unseren Glauben verteidigen, für unseren Glauben kämpfen. Ja, gegen wen denn? Nicht so sehr gegen konkrete Personen. Jeder von uns spürt doch, daß wir in einem glaubensfeindlichen Klima leben. Es ist leichter, sich gegen einen Dieb zu verteidigen als gegen ein Klima. Wir wissen, daß viele aus unserer Mitte schon Opfer dieses Klimas geworden sind. Das DDR-Klima war auch glaubensfeindlich, das heutige ist es noch mehr. Es ist für den Glauben ungesund. Deswegen können wir aber diesem Klima nicht entfliehen, uns nicht verstecken oder abkapseln. Aber wir können den Organismus schützen, wir können Vitamine nehmen, z.B. indem wir unseren Tag mit dem Gebet beginnen und beenden, indem wir keinen Sonntag ohne Messe, kein Jahr ohne Beichte verstreichen lassen, indem wir die Gemeinschaft gläubiger Menschen suchen usw. Wir müssen auch Argumente für unseren Glauben parat haben, wenn wir von Arbeitskollegen oder Schulkameraden angefragt werden oder wenn sich in uns selbst Zweifel einstellen.

Da der Glaube aber vor allem ein echtes Geschenk, eine Gabe Gottes, ist, müssen wir immer wieder um ihn bitten. Wenn Du merkst, daß dein Glaube schwach wird, bitte Gott, ihn zu stärken. Der Vater eines Kindes, das Jesus heilte, rief: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9, 14). Dieses wunderbare Stoßgebet können wir oft wiederholen: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

Der Glaube bleibt nicht automatisch bei uns, er muß genährt werden. Wodurch? Der hl. Augustinus sagt: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden? Dies setzt der Herr hinzu, um zu zeigen, daß, wenn der Glaube fehlt, das Gebet zugrunde geht. Laßt uns also glauben, um zu beten, und beten, damit uns dieser Glaube nicht fehlt. Der Glaube bringt das Gebet hervor, das [aus dem Glauben] kommende Gebet verleiht dem Glauben Festigkeit.“

Der Glaube wird auch bewahrt durch die Bildung, d.h. durch die Schulung unseres Verstandes. Papst Benedikt hat immer wieder unterstrichen, daß Glaube und Verstand zusammengehören. In den meisten Berufen heute gibt es Fortbildungen. Auch im Glauben ist es wichtig, sich fortzubilden. Das macht etwas Mühe, aber es kann auch sehr viel Freude machen, besonders wenn es gemeinsam geschieht. Wichtig ist, daß wir gesunde Nahrung für unseren Verstand bekommen. Es gibt heute einen riesigen Büchermarkt. Woher soll man wissen, ob ein Buch gut und gesund ist? Es gibt auch im katholischen Bereich viele falsche Propheten, bis in die Kirchenzeitungen hinein. Die Angebote sind verwirrend. Man weiß nicht mehr, was und wem man glauben soll. Früher gab es auf der ersten Seite das „Nihil obstat“ und „Imprimatur“ bzw. eine „Kirchliche Druckerlaubnis“. Dann konnte man davon ausgehen, daß ein Buch nicht der kirchlichen Lehre widerspricht. Heute ist das nicht mehr so verbreitet. Ich muß mich beraten lassen oder selber spüren, ob ein Buch, ein Vortrag, ein Film dem Glauben der Kirche entspricht. Dazu hat uns Gott einen geistlichen Spürsinn gegeben, den sogenannten sensus fidelium. Der hl. Johannes schreibt in seinem Ersten Brief: „Ich schreibe euch nicht, daß ihr die Wahrheit nicht wißt, sondern ich schreibe euch, daß ihr sie wißt und daß keine Lüge von der Wahrheit stammt.“ Wenn wir im kirchlichen Glauben stehen, wenn wir Gott und den Nächsten lieben und das Böse meiden, werden wir als getaufte und gefirmte Christen immer mehr von der Wahrheit ergriffen und spüren mit einer Art übernatürlichem Siebten Sinn, was dem Glauben entspricht und was nicht: „Ich schreibe euch nicht, daß ihr die Wahrheit nicht wißt, sondern ich schreibe euch, daß ihr sie wißt und daß keine Lüge von der Wahrheit stammt.“

„Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben finden?“ Diese Frage, liebe Brüder und Schwestern, hat uns der Herr heute gestellt. Beantworten wir sie durch unseren persönlichen und gleichzeitig kirchlichen Glauben, durch einen Glauben, der nicht abstrakt ist, sondern lebendig, einen Glauben, der uns geschenkt ist und den wir nähren, den wir bilden und den wir hüten wie unseren Augapfel. Amen