Armutszeugnis?

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Die für Rußland außerordentlich bedeutsame Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale wurde 1931 unter Stalin aus Haß auf das Christentum in einem tief symbolischen Akt an einem einzigen Tag zerstört. Von einstmals 54.000russischen Kirchen „arbeiteten“ 1936 nur noch 100. Ikonen, die nicht zerstört worden, landeten in Museen. Einmal hörte ich von gläubigen Studenten in der Sowjetunion, die ins Museum gingen, um vor den heiligen Ikonen zu beten und sie damit vor der Profanierung zu schützen. Etwa 96.000 Priester, Mönche, Nonnen und kirchliche Mitarbeiter wurden zwischen 1917 und 1940 umgebracht, ebenso wie Millionen einfacher Christen. Schon 1990, kurz nach der politischen Öffnung, erhielt die Orthodoxe Kirche die Genehmigung zum Wiederaufbau des besagten Gotteshauses. Im Jahr 2000 wurde die neuerrichtete Kathedrale geweiht. Wo zu Sowjetzeiten ein Schwimmbad stand, wird nun wieder die Göttliche Liturgie gefeiert.

Vor kurzem war nun diese Kirche Akt eines blasphemischen Auftritts junger Frauen, die von der russischen Justiz (nicht von der Kirche!) zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurden und von der westlichen Presse als „Heldinnen“ gefeiert werden.

Die drei Frauen haben gewiß niemanden umgebracht und auch (noch) keine Kathedrale abgerissen. (Ihre Mitstreiterinnen in der Ukraine haben aber probeweise schon einmal ein Kreuz umgesägt. – „Das Kreuz stand an der Stelle, wo sich bis zum Zweiten Weltkrieg das Hauptquartier des NKWD befunden und Erschießungen von (vermeintlichen und wirklichen) Regimegegnern vorgenommen worden waren.“) Zudem ist Putin, den sie mit ihrer Aktion auch treffen wollten, sicher kein „lupenreiner Demokrat“ (wie ihn Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnet hatte), noch ist die russische Justiz von der Regierung unabhängig. Sicher könnte man auch fragen, ob die Russisch-Orthodoxe Kirche nicht wieder eine zu große Nähe zur Staatsmacht hat (eine Grundkrankheit der orthodoxen Nationalkirchen, die mit dem Fehlen des Papstamtes zu tun hat).

Doch muß unsere „Kirchenzeitung“ „Tag des Herrn“ deshalb der Orthodoxen Kirche ob ihrer Reaktion nun ein „Armutszeugnis“ bescheinigen (Ausgabe vom 26.8.12, S.2)? Verharmlosend heißt es: „Es geschah nicht während einer Messe, es wurden keine Gegenstände beschädigt, niemand wurde körperlich verletzt.“ Es wird zwar zugestanden, daß die Aktion „die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzt hat“, anscheinend ist es dem Redakteur aber nicht bewußt, daß Blasphemie nicht nur religiöse Gefühle verletzt, sondern Gott selbst beleidigt und nach kirchlicher Lehre in sich eine schwere Sünde ist. Dies mag kein juristischer Strafbestand sein, sollte aber dennoch in einer sich katholisch nennenden Zeitung bedacht werden, bevor man der Orthodoxen Kirche Unglaubwürdigkeit und Unbarmherzigkeit unterstellt.

Zum aktuellen Vorgang empfehle ich die Lektüre der folgenden Artikel: Lady Suppenhuhn (FAZ) und Vaginaler Aufruhr (The European).