Ist Josef der leibliche Vater Jesu?

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Ein Angehöriger unserer Pfarrgemeinde bat mich, hier Stellung zu nehmen zu dieser Frage. Anlaß ist ein kürzlich erschienener Artikel in einer Kirchenzeitung, der wohl manchen Leser verwirrte.

Ich möchte einfach einmal den Katechismus der Katholischen Kirche zitieren, der sehr schön den Glauben der Kirche zu dieser Frage wiedergibt und auch begründet:

 

496 Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens [Vgl. DS 10-64]hat die Kirche bekannt, daß Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt dieses Geschehens wurde mitausgesagt: Sie hat Jesus ,,ohne Samen aus Heiligem Geist empfangen“ (Syn. im Lateran 649: DS 503). Die Väter sehen in der jungfräulichen Empfängnis das Zeichen dafür, daß wirklich der Sohn Gottes in eine uns gleiche menschliche Natur kam.

So sagt der hl. Ignatius von Antiochien [zu Beginn des 2. Jahrhundertsl: ,,Ihr seid vollkommen überzeugt von unserem Herrn, der wirklich aus dem Geschlecht Davids stammt nach dem Fleische [Vgl. Röm 1,3] Sohn Gottes nach Gottes Willen und Macht [Vgl. Joh 1,13.], wirklich geboren aus einer Jungfrau …, wirklich unter Pontius Pilatus … angenagelt für uns im Fleische …,und wirklich litt er, wie er sich auch wirklich auferweckte“ (Smyrn. 1-2).

497 Die Berichte in den Evangelien [Vgl. Mt 1,18-25; Lk 1,26-38.] fassen die jungfräuliche Empfängnis als ein Werk Gottes auf, das über jedes menschliche Verständnis und Vermögen hinausgeht [Vgl. Lk 1,34.]. Der Engel sagt zu Josef von Maria, seiner Braut: ,,Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Die Kirche erblickt darin die Erfüllung der Verheißung, die Gott durch den Propheten Jesaja gegeben hat: ,,Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären“ (Jes 7,14) [Nach der griechischen Übersetzung in Mt 1,23.].

498 Man war manchmal verunsichert, weil das Markusevangelium und die Briefe des Neuen Testamentes nichts von der jungfräulichen Empfängnis Marias sagen. Man hat auch gefragt, ob es sich hier nicht um Legenden oder um theologische Konstrukte handelt, die nicht Anspruch auf Geschichtlichkeit erheben. Darauf ist zu antworten:

Der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis ist bei Nichtchristen, Juden wie Heiden, auf lebhaften Widerspruch‘ Gespött und Unverständnis gestoßen [Vgl. etwa Justin, dial. 99,7; Origenes, Cels. 1,32.69.]er war also nicht durch die heidnische Mythologie oder irgendeine Angleichung an zeitgenössische Ideen motiviert. Der Sinn dieses Geschehens ist nur für den Glauben erfaßbar, der es ,,aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander“ (DS 3016) im Ganzen der Mysterien Christi, von seiner Menschwerdung bis Ostern, sieht. Schon der hl. Ignatius von Antiochien bezeugt diesen Zusammenhang: ,,Es blieb dem Fürsten dieser Welt die Jungfrauschaft Marias und ihre Niederkunft verborgenebenso auch der Tod des Herrn – drei laut rufende Geheimnisse‘ die in Gottes Stille geschahen“ (Eph. 19, 1) [Vgl. 1 Kor 2,8.].

Maria – ,,allzeit Jungfrau

499 Ein vertieftes Verständnis ihres Glaubens an die jungfräuliche Mutterschaft Marias führte die Kirche zum Bekenntnis, daß Maria stets wirklich Jungfrau geblieben ist [Vgl. DS 427. ], auch bei der Geburt des menschgewordenen Gottessohnes [Vgl. DS 291; 294; 442; 503; 571; 1880.]. Durch seine Geburt hat ihr Sohn ,,ihre jungfräuliche Unversehrtheit nicht gemindert, sondern geheiligt“ (LG 57). Die Liturgie der Kirche preist Maria als die ,,allzeit Jungfräuliche“ [Aeiparthenos] [Vgl. LG 52.].

500 Man wendet manchmal dagegen ein, in der Schrift sei von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede [Vgl. Mk 3,31-35; 6,3;1 Kor 9,5; Gal 1,19. ]. Die Kirche hat diese Stellen immer in dem Sinn verstanden, daß sie nicht weitere Kinder der Jungfrau Maria betreffen. In der Tat sind Jakobus und Josef, die als ,,Brüder Jesubezeichnet werden (Mt 13,55), die Söhne einer Maria, welche Jüngerin Jesu war [Vgl. Mt 27,56.]und bezeichnenderweise ,,die andere Mariagenannt wird (Mt 28,1). Gemäß einer bekannten Ausdrucksweise des Alten Testamentes [Vgl. z.B. Gen 13,8; 14,16; 29,15.] handelt es sich dabei um nahe Verwandte Jesu.

501 Jesus ist der einzige Sohn Marias. Die geistige Mutterschaft Marias aber [Vgl. Joh 19,26-27; Offb 12,17.] erstreckt sich auf alle Menschen, die zu retten Jesus gekommen ist: ,,Sie gebar einen Sohn, den Gott zum ,Erstgeborenen unter vielen Brüdern‘ (Röm 8,29) gesetzt hat, den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt“ (LG 63).

Die jungfräuliche Mutterschaft Marias im Ratschluß Gottes

502 Im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Offenbarung kann der Blick des Glaubens die geheimnisvollen Gründe dafür entdecken, warum Gott in seinem Heilsplan gewollt hat, daß sein Sohn von einer Jungfrau geboren werde. Diese Gründe betreffen sowohl die Person und die Erlösungssendung Christi als auch die Annahme dieser Sendung durch Maria für alle Menschen.

503 Die Jungfräulichkeit Marias zeigt, daß Gott bei der Menschwerdung die absolute Initiative hat. Jesus hat nur Gott zum Vater [Vgl. Lk 2,48-49.]. Er war ,,niemals wegen des Menschen, den er angenommen hat‘ dem Vater fremd …: [Er ist] natürlicher [Sohn] dem Vater der Gottheit nach‘ natürlicher [Sohn] der Mutter der Menschheit nach‘ jedoch eigentlicher [Sohn] dem Vater in beidem“ (Syn. v. Friaul 696: DS 619).

504 Jesus ist im Schoß der Jungfrau Maria deshalb durch den Heiligen Geist empfangen‘ weil er der neue Adam [Vgl. 1 Kor 15,45.] ist‘ der die neue Schöpfung eröffnet: ,,Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel“ (1 Kor 15,47). Die menschliche Natur Christi ist von seiner Empfängnis an vom Heiligen Geist erfüllt, denn Gott ,,gibt den Geist unbegrenzt“ (Joh 3,34). ,,Aus seiner Fülle“ – des Hauptes der erlösten Menschheit [Vgl. Kol 1,18.]- ,,haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16).

505 Jesus, der neue Adam, leitet durch seine jungfräuliche Empfängnis die neue Geburt ein, die im Heiligen Geist durch den Glauben Menschen zu Kindern Gottes macht. ,,Wie soll das geschehen?“ (Lk 1,34) [Vgl. Joh 3,9.]. Die Teilhabe am göttlichen Leben kommt ,,nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott“ (Joh 1,13). Dieses Leben wird jungfräulich empfangen, denn es wird dem Menschen gänzlich durch den Geist geschenkt. Der bräutliche Charakter der Berufung des Menschen zu Gott [Vgl. 2Kor 11,2.]ist in der jungfräulichen Mutterschaft Marias vollkommen verwirklicht.

506 Maria ist Jungfrau, weil ihre Jungfräulichkeit Zeichen ihres Glaubens ist, ,,der durch keinen Zweifel verfälscht war“ (LG 63), und wegen ihrer ungeteilten Hingabe an den Willen Gottes [Vgl. 1 Kor 7,34-35.]. Dank ihres Glaubens kann sie die Mutter des Erlösers werden:

,,Seliger ist Maria im Empfangen des Glaubens an Christus als in der Empfängnis des Fleisches Christi“ (Augustinus, virg. 3).

507 Maria ist Jungfrau und Mutter zugleich, weil sie das Inbild der Kirche und Kirche im Vollsinn ist [Vgl. 1 Kor 7,34-35.]: Die Kirche wird ,,durch die gläubige Annahme des Wortes Gottes … auch selbst Mutter: Denn durch Predigt und Taufe gebiert sie Kinder, die vom Heiligen Geist empfangen und aus Gott geboren sind, zu neuem und unsterblichem Leben. Auch sie selbst ist Jungfrau, die das Treuewort, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein hält“ (LG 64).

 

Zusatz:

Am Anfang des Römerbriefes (Röm 1,4) scheint es auf den ersten Blick, als wolle Paulus sagen, Jesus sei erst seit der Auferstehung Sohn Gottes, vorher aber noch nicht. Man kann aber nicht sagen, daß für Paulus Jesus erst durch die Auferstehung bzw. Erhöhung in Macht zum Sohn Gottes wird.

Dazu bemerkt der große Theologe Hans Urs von Balthasar:

Der „Anfang des Römerbriefes hat mache Leser in Verwirrung gebracht. Jesus, so scheint es, wird ‚dem Fleisch nach als Nachkomme Davids‘ betrachtet, und erst ’seit der Auferstehung von den Toten als Sohn Gottes in Macht‘. Beide Aussagen stimmen durchaus, denn als Sohn Davids ist er der Messias Israels, und erst seit der Auferstehung erweist er sich, nach der Niedigkeit seines Erdenlebens, nach seinem Knechtsgehorsam bis zum Kreuz, ‚als Sohn Gottes in Macht‘.“

Chr. Sperling