Wir dürfen nicht das Konzept verlieren

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(Predigt zum Vierten Adventssonntag)

Wenn ich ein Konzept habe, dann habe ich etwas konzipiert. Das lateinische Wort concipere entsteht aus con (zusammen) und capere (fassen, nehmen). Eine Konzeption ist also eine Empfängnis. Und so werden in der Medizin empfängnisverhindernde Mittel auch Contraceptiva genannt. In dem Moment, wo ein neuer Mensch entsteht, hat eine Frau ein Kind empfangen. Wir können auch einen Gedanken empfangen. Dann haben wir einen Einfall und anschließend vielleicht ein Konzept. Das ist auch eine Konzeption, eine Empfängnis. Man sagt ja auch manchmal, jemand gehe mit einem Gedanken schwanger. Hoffentlich ist es ein guter Gedanke, den er da empfangen hat.

Das leibliche Zusammenkommen von Mann und Frau heißt in der Bibel „Erkenntnis“. Maria sagt: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“. Sie lebt nicht mit Josef zusammen und hat es offensichtlich auch in Zukunft nicht vor, denn sonst wäre ja ihre Frage sinnlos: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Alte Überlieferungen sagen, Maria habe ein Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt, um sich ganz Gott zu weihen. Es ist denkbar, daß Josef dieses gekannt und aus Glaubensgründen eingewilligt hat. Maria zweifelt nicht wie Zacharias an der Botschaft des Engels, sie fragt nur „Wie soll das geschehen?“, da es ihr Begreifen übersteigt. Das ist der große Unterschied zwischen einem Zweifel einerseits und einem Glauben, der fragt und zu verstehen sucht, andererseits. Wenn wir im Glauben etwas nicht verstehen, ist das ganz normal, denn der Glaube bezieht sich auf das Mysterium des lebendigen Gottes. Wir können nur versuchen, immer tiefer in das Geheimnis einzudringen und es immer mehr zu verstehen. Etwas anderes ist es aber, wenn man einmal den Glauben angenommen hat und dann dem Zweifel Raum gibt. Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer, fragt nicht nur, sondern er zweifelt. Deshalb wird er für eine Weile stumm. Die Ausdrucksweise „da ich keinen Mann erkenne“ ist sehr wichtig, denn sie zeigt uns, daß es bei der geschlechtlichen Begegnung und bei der Empfängnis eines Kindes nicht nur um einen biologischen Vorgang geht, sondern daß der ganze Mensch mit Leib, Geist und Seele beteiligt ist. Deswegen hat auch der Engel zu Maria nicht lapidar gesagt: „Du wirst schwanger werden“, sondern: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären.“ Die neue deutsche Einheitsübersetzung traut uns aber leider nicht mehr zu, daß wir das verstehen. Im griechischen Urtext steht eindeutig das Wort „empfangen“ (λαμβάνειν), aber nun wird übersetzt: „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären“. Gabriel ist jedoch kein Frauenarzt, sondern ein Engel! Und das Buch, in dem wir lesen, ist nicht irgendeines, sondern die Hl. Schrift!

Maria wird nicht einfach schwanger, sondern sie empfängt ein Kind. Und zwar von Gott. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“  An der neuen Übersetzung haben zig Professoren jahrelang gearbeitet. Doch das Ergebnis eignet sich leider nicht als Weihnachtsgeschenk.  

Aber passen Sie auf! Es geht noch verrückter: In der sogenannten „Bibel in gerechter Sprache“ von 2006 ist Maria keine Jungfrau, sondern eine „junge Frau“. Und heißt es nicht mehr: „Der Herr ist mit dir“, sondern „Die Lebendige ist mit dir“. Aha! Und der Engel sagt dann: „Die heilige Geistkraft wird auf dich herabkommen…“. Maria als junge Frau, die mit „der Lebendigen“ ein Kind hat durch das Wirken der „heiligen Geistkraft“! Naja, ich schlage vor: Wir bleiben einfach katholisch und lesen die Bibel so, wie sie geschrieben steht: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“ Eine andere gute Übersetzung wäre: „Deshalb wird auch das heilig Geborene (d.h. das auf heilige Weise geborene Kind) Sohn Gottes genannt werden.

Nun wird an diesem großen Wendepunkt der Heilsgeschichte von Maria aber auch eine Antwort erwartet. Denn Gott respektiert ihre Freiheit. Er will ihr Ja. Maria ist frei. Gott benutzt sie nicht einfach wie ein willenloses Werkzeug. „Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Gott respektiert auch unsere Freiheit.  Wenn uns wirklich Weihnachten werden soll, dann müssen auch wir in unserer Seele Gott empfangen, indem wir uns dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen und Ja sagen zu dem, was Gott uns schenken und an uns wirken will. Es ist notwendig, daß wir auf alles verzichten, was die Empfängnis Gottes in unseren Herzen verhindert und behindert.

Vergessen wir schließlich auch nicht, wie der Engel Maria gegrüßt hat: Ave Maria. Bei Lukas steht wörtlich: „Freu dich (Χαῖρε), Maria“. Wenn wir in wenigen Stunden die Frohe Weihnachtsbotschaft hören dürfen, dann nur, weil Maria als erste diese Frohe Botschaft gehört und aktiv empfangen hat. Freu Dich, Maria, du Begnadete, der Herr ist mit dir, du bist gesegnet unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.