Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit

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Liebe Brüder und Schwestern,

heute ist zweimal die Rede von Judas Iskariot. Jesus sagt im Evangelium: „…keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt“. Und in der Apostelgeschichte sagt Petrus: „Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst“, wonach er dann sein schreckliches Ende beschreibt. Sie können das in der Apostelgeschichte nachlesen, es ist in der Lesung heute ausgelassen. (Apg 1, 18f)

 

Jedenfalls muß der Platz des Judas wieder besetzt werden. Zwei Männer werden als Kandidaten aufgestellt, es wird gebetet, und das Los entscheidet, daß der hl. Matthias Nachfolger des Judas wird. Es mußte unbedingt die 12-Zahl wieder aufgefüllt werden. In einer Fußballmannschaft müssen 11 sein. Wenn einer eine rote Karte bekommt, bleiben sie 10, aber im nächsten Spiel sind sie wieder 11. Apostel müssen genau 12 sein. So haben wir in der Kirche auch 12 Apostelleuchter. Warum aber? 12 Stämme des alten Gottesvolkes verlangen 12 Apostel des neuen Gottesvolkes als Grundsteine der Kirche Christi. Dadurch wird ganz deutlich: der Glaube ist keine Privatsache, er ist die Sache eines lebendigen Volkes, das auch Leib Christi und Braut Christi ist: die Kirche. Gott hat sich ein Volk geschaffen. Durch die Taufe sind wir Glieder dieses Leibes, gehören wir zu diesem Volk, mit Rechten und Pflichten. Dieses Volk ist ein wahrer Organismus. Das vergessen wir im Zeitalter des Individualismus nur allzuschnell, wo wir denken, daß jeder für sich allein glauben kann, aber das ist ein fataler Irrtum. Kein Glied lebt ohne den Leib.
Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel, wenn sie auch nicht dieselbe Sendung haben, was man ja auch daran sieht, daß sie nicht nur zwölf, sondern heute über dreitausend sind. Sie sind nicht selbst die Grundsteine, aber deren Nachfolger, und so müssen sie auch handeln, sonst werden sie zu Judassen. Was aber ist die zentrale Aufgabe der Apostel? Petrus sagt: „Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und (in den Himmel) aufgenommen wurde, – einer von diesen muß nun zusammen mit uns Zeuge der Auferstehung sein.“ Die zentrale Aufgabe ist es also, die Auferstehung zu bezeugen. Ein Apostel, ein Bischof ist nicht der Manager eines christlich angehauchten Sozialkonzerns, sondern ein Zeuge des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu. Die Kirche ist keine Demokratie, wo man über den Glauben oder über Gut und Böse abstimmen könnte. Die Kirche ist auch keine Monarchie oder Oligarchie, wo einige wenige über die Wahrheit oder Gut und Böse entscheiden könnten, sondern die Kirche ist ein Organismus, der von Gott herkommt und der auf der unveränderlichen Wahrheit beruht, die Jesus uns offenbart hat und an die sich alle halten müssen, besonders die Bischöfe und Priester.

 

So betet Jesus im heutigen Evangelium: „Vater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.“ Und: „Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit, dein Wort ist Wahrheit.“ Jesus hat für die Kirche gebetet, so können wir das große Vertrauen haben, daß die Kirche in der Wahrheit bleibt, auch wenn es im Laufe der Geschichte immer wieder große Kämpfe und Versuchungen gibt, die Wahrheit preiszugeben und sich der Welt und dem jeweiligen Zeitgeist anzupassen.

 

Diese Versuchungen sind auch heute sehr groß, besonders in unserem Land, wo sich die Kirche zu einem der größten Arbeitgeber, zu einem Großkonzern entwickelt hat, der in der Gefahr steht, die Gesetze des Glaubens den Gesetzen der Ökonomie und die Wahrheit der medialen Beliebtheit unterzuordnen. Jesus sagt: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.“ Wer nicht mehr bereit ist, um der Wahrheit Jesu willen von der Welt gehaßt zu werden, ist auf dem Wege, sich zu einem Judas zu entwickeln. Beten wir daher besonders in diesen Tagen um die Einheit, die von oben kommt.
In der Zweiten Lesung aus dem Ersten Johannesbrief geht es um das Bleiben. Das Bleiben Gottes in uns und unser Bleiben in Gott. Der Kirche als Kirche ist dieses Bleiben geschenkt. Deswegen ist sie heilig und unfehlbar. „Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ (Mt 16, 18) Aber jeder einzelne von uns kann dieses Bleiben verlieren und zum Judas werden. Dieses Bleiben verwirklicht sich in zwei Dingen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Erstens im Bekenntnis und zweitens in der Liebe.
Ein Beispiel: Ein jung verheirateter Mann geht auf Dienstreise. An seinem Finger der Ehering, mit dem er sich zu seiner schwangeren Frau bekennt, die zu Hause auf ihn wartet. Am Abend geht der Mann zu einer Firmenparty. Im Hotelzimmer bindet er sich die Krawatte um, überlegt einen Moment und streift seinen Ehering ab. An diesem Abend will er als unverheiratet gelten. Er bekennt sich nicht zu seiner Frau. Schon in diesem Moment hat er die Liebe verraten. Bekenntnis und Liebe hängen untrennbar zusammen. Wer gegen die Liebe handelt, hat das Bekenntnis verraten. Und wer nicht bekennt, verrät die Liebe. Das ist auch in bezug auf Jesus Christus so.
Deshalb schreibt Johannes in seinem Ersten Brief: „Wer bekennt, daß Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er bleibt in Gott. Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.“

Amen

(CS)