Sind wir Karnickel?

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Liebe kinderreiche Familien,

Ihr seid keine Karnickel! Ihr braucht auch keine Angst zu haben, daß die Kirche Euch in den Rücken fällt. Im Gegenteil: die Kirche steht hinter Euch, auch wenn das vielleicht manchmal leider nicht zu spüren ist.

Ich weiß, Ihr werdet von vielen Menschen schief angesehen. Und manchmal tut Euch das auch weh. Euch wird (sogar von Katholiken) gesagt: „Zwei Kinder hätten doch auch gereicht.“ Man meint, Ihr könntet Euren vielen Kindern materiell zu wenig bieten (Urlaub, Wohnraum, Mode etc.).  Dabei sind doch eher gerade die Kinder aus Schrumpffamilien die, die zu bedauern sind. Oft ist der Satz zu hören: „Ich hätte eigentlich auch gern Geschwister gehabt.“ Eure Kinder werden in der Schule von manchen Lehrern gehänselt. Ich weiß noch, als mir von einem Mitschüler bei der Geburt meiner jüngsten Schwester gesagt wurde: „Jetzt seid ihr ja asozial!“ Dabei waren wir nur vier Kinder. Was muß man sich erst anhören, wenn man fünf oder sieben Geschwister hat?

Liebe kinderreiche Eltern! Ihr seid Helden in dieser kinderfeindlichen Welt. Ihr seid keine Karnickel. Und der Papst hat das auch nicht gesagt. Das ganze Video von der Pressekonferenz dauert ca. eine Stunde. Er hat auf seine eigene Weise versucht, den Journalisten im Flugzeug zu erklären, daß die Kirche die Offenheit für Kinder für absolut unabdingbar für die Ehe hält, daß die Kirche aber auch nicht verlangt, so viele Kinder wie biologisch möglich zu zeugen, sondern diese Frage verantwortlich zu bedenken. Das ist ganz und gar nichts Neues. Das sagte auch schon Papst Paul VI. in seiner viel kritisierten, von Papst Franziskus prophetisch genannten EnzyklikaHumanae Vitae, wo es u.a. heißt: „Im Hinblick schließlich auf die gesundheitliche, wirtschaftliche, seelische und soziale Situation bedeutet verantwortungsbewußte Elternschaft, daß man entweder, nach klug abwägender Überlegung, sich hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum entschließt, oder bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes zur Entscheidung kommt, zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten. Endlich und vor allem hat verantwortungsbewußte Elternschaft einen inneren Bezug zur sogenannten objektiven sittlichen Ordnung, die auf Gott zurückzuführen ist, und deren Deuterin das rechte Gewissen ist. Die Aufgabe verantwortungsbewußter Elternschaft verlangt von den Gatten, daß sie in Wahrung der rechten Güter- und Wertordnung ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen. Daraus folgt, daß sie bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, keineswegs ihrer Willkür folgen dürfen, gleichsam als hinge die Bestimmung der sittlich gangbaren Wege von ihrem eigenen und freien Ermessen ab. Sie sind vielmehr verpflichtet, ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan auszurichten, der einerseits im Wesen der Ehe selbst und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, den anderseits die beständige Lehre der Kirche kundtut.“

Es würde den Rahmen dieses Briefes sprengen, die Lehre von Humanae Vitae im Detail zu besprechen, aber dahinter steht, daß der eheliche Akt ein personaler Akt ist, daß die leibliche und geistliche Fruchtbarkeit des Menschen ein Wunder ist, ein großes, heiliges Geheimnis, das die Kirche schützen will, indem sie gelegen oder ungelegen diese Wahrheit von der Offenheit für das Leben verkündet. Verantwortliche Elternschaft bedeutet also nicht, uns vor unserem egoistischen und anspruchsvollen persönlichen oder familiären Wohlergehen oder gar vor der öffentlichen Meinung zu verantworten, sondern sie bedeutet, sich vor dem lebendigen Gott zu verantworten, der uns auch in den Menschen begegnet und der den Eheleuten den Auftrag gegeben hat, Kindern das Leben zu schenken, Kindern, die Gott zum ewigen Leben beruft. Verantwortung heißt auf das zu hören, was Gott sagt.

Papst Franziskus hat übrigens im Originalton nicht – wie fälschlich in der Transkription wiedergegeben – gesagt, die Ablehnung (der künstlichen Verhütung) durch Paul VI. sei nicht auf persönliche Fälle bezogen, sondern sie seinicht nur darauf bezogen. [i]

Und was ist nun mit den Karnickeln? Der Papst hat im Flugzeug einen Satz gesagt, der wohl in der Wortwahl nicht sehr klug war, den man aber auch im Kontext sehen muß. Beide Fragen zum Thema „Humanae Vitae“ bzw. Anzahl der Kinder (Frage 4 und Frage 10) kamen von deutschen Journalisten. (Die Deutschen sind offensichtlich Spezialisten für Verhütungs-und Überbevölkerungsfragen…). Der zweite meinte in seiner Einleitung, die Mehrheit der Filipinos würde laut Umfragen in der großen Kinderzahl einen Grund für die tiefe Armut des Landes sehen, andererseits behauptete er, die Mehrheit der kinderliebenden Filipinos sei in diesem Punkt nicht mit der Lehre der Kirche einverstanden.  Auf diese Frage versuchte der Papst zu antworten, als er den von vielen von Euch als schmerzhaft und unpassend empfundenen Vergleich heranzog. Er sprach zunächst auch vom Problem des Bevölkerungsschwundes z.B. in Italien, davon, daß dort schon bald die Renten nicht mehr bezahlt werden könnten. In der vierten Frage hatte er von Neo-Malthusianismus gesprochen. Malthus (+ 1834) hatte vorausgesagt, daß ohne Bevölkerungskontrolle die Menschheit zugrunde gehen müsse. Ich empfehle zur Frage der wirklichen oder angeblichen Überbevölkerung den sehr sehenswerten Dokumentarfilm „Population boom“. Es ist der Eindruck entstanden, Papst Franziskus hätte die Zahl von (nur) drei Kindern empfohlen. Das stimmt aber nicht. Der Journalist hatte von mehr als drei Kindern pro Filipina gesprochen. Und der Papst sagte darauf, wenn es weniger als drei wären, würde die Bevölkerung schrumpfen. Er sprach in dieser Antwort auch  erneut von der „verantwortlichen Elternschaft“ und von „erlaubten Wegen“. Wie wir wissen, empfiehlt die Kirche die Natürliche Empfängnisregelung, die z.B. auch bei Lebensgefahr für die Mutter ein gangbarer Weg ist. Künstliche Verhütung  ist kein guter Weg. Dafür, dies bekräftig zu haben, war ja Paul VI so heftig verlacht und kritisiert worden. Aber lest einmal, was er in seiner Enzyklika als Folgen der künstlichen Verhütung voraussagte. Dann seht Ihr, wie er wirklich prophetisch war. Am Ende seiner Antwort wies der Papst dann noch darauf hin, daß für die Armen das Kind ein Schatz ist: „Für sehr arme Menschen ist ein Kind ein Schatz. Es ist wahr, man muß auch hier klug sein. Aber für sie ist ein Kind ein Schatz. Gott weiß, wie er ihnen helfen kann. Einige sind vielleicht darin nicht klug, das stimmt. Verantwortete Elternschaft. Aber man muß auch die Aufopferungsbereitschaft jener Väter und Mütter sehen, die in jedem Kind einen Schatz sehen.“ Dazu paßt auch eine kürzlich gehaltene Ansprache des Papstes an kinderreiche Familien, in der er diesen dankte und sie ermutigte.

Liebe kinderreiche Eltern, manche von Euch waren heute sehr irritiert, manche sogar wütend, als sie die Schlagzeilen lasen. Ich kann das verstehen. Aber seid unbesorgt! Die Kirche ändert ihre Lehre nicht. Die Wahrheit bleibt wie sie ist. Eure Kinder sind Schätze, auch wenn Ihr nicht so arm wie viele Filipinos seid. Ihr seid wie diese reich durch Eure Schätze, eben kinderreich. Und Eure Großzügigkeit ist ein Geschenk, das Geschenk des Lebens für Eure Kinder und die Kinder Eurer Kinder, aber auch ein Geschenk für die Kirche und für die Gesellschaft.

Und wir Priester und so viele andere Menschen sind froh, wenn wir Euch sehen. Ihr seid ein Hoffnungszeichen für die Kirche und ein Vorbild der Nächstenliebe und des Vertrauens auf Gott. Euer Mut, Eure Liebe, das Lachen Eurer Kinder sind für uns eine Stärkung.

Herzlichen Dank dafür! Gottes Segen,

 

Euer Christoph Sperling

Oschersleben, Fest der hl. Agnes, 21. Januar 2015