Unbefleckte Empfängnis? Unbefleckte Empfängnis!

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Das heutige Fest heißt „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Man nennt es auch kurz „Unbefleckte Empfängnis“. Jedes Fest hat sein eigenes Festgeheimnis. Über das Festgeheimnis des heutigen Tages gibt es sehr viele Mißverständnisse, nicht nur außerhalb der Kirche; ich befürchte auch in unserer Pfarrgemeinde, obwohl wir doch heute unser Patronatsfest feiern.

Es geht in diesem Fest nicht um die Entstehung Jesu in der Jungfrau Maria. Das feiert die Kirche neun Monate vor Weihnachten, am 25. März. Heute befinden wir uns vielmehr neun Monate vor dem Fest „Mariae Geburt“, das die Kirche am 8. September begeht. Marias Eltern sind der Tradition als Joachim und Anna bekannt. Die beiden haben Maria gezeugt. Und in diesem Moment, als sich Samenzelle und Eizelle ihrer Eltern verbanden, wurde Maria empfangen. Das ist bei jedem Menschen so. Das besondere bei Maria ist, daß sie ohne die sogenannte Erbsünde empfangen wurde, d.h. daß sie von Beginn ihrer Existenz an von der alle Menschen betreffenden Verstrickung in die Sünde bewahrt war; denn sie war auserwählt, Gottesmutter zu werden. Erbsünde heißt, daß jeder Mensch, noch bevor er selbst sündigt, in die Sünde verstrickt ist. Adam ist in gewisser Weise jeder Mann, Eva jede Frau. Das ist sicher schwer zu verstehen. Wenn sie länger darüber nachdenken und die Welt betrachten, sehen sie jedoch, daß das wirklich wahr ist.

Maria aber ist davon ausgenommen, von Beginn an. Gott hat sie sozusagen vorerlöst, indem sie ohne Erbsünde empfangen wurde. Das wird heute gefeiert. Ich weiß, daß das alles nicht wenigen von Ihnen Glaubensschwierigkeiten bereitet. Unsere Vorfahren im Glauben haben Jahrhunderte lang über diese Geheimnisse meditiert und sie immer tiefer verstanden.

Ich möchte jetzt einmal versuchen, einen vielleicht unkonventionellen Verstehenszugang für heutige Menschen zu finden:

Anfang September bekam ich auf Grund eines Fehlers mit der Post ein Päckchen von der Telekom. Den Inhalt für 80 € hatte ich nicht bestellt und wollte ihn auch nicht haben. Ich habe also die Annahme des Päckchens verweigert, den Empfang abgelehnt.

Nun kann man nicht nur Dinge ablehnen, wie z.B. ein Päckchen, sondern man kann auch Leute ablehnen, Menschen nicht annehmen. Wir alle suchen Freunde, die uns annehmen, die Ja zu uns sagen, die empfangsbereit für uns sind. Aber keiner kann wirklich Ja zum anderen sagen, der nicht Ja sagen kann zu sich selbst. Mangelnde Selbstannahme nennt man das, was schon bei Äußerlichkeiten beginnt. Da stehst du vor dem Spiegel und denkst: „Warum habe ich eine so lange Nase, einen so dicken Hintern, eine so flache Brust, so viele Pickel, so wenig Muskeln, so viele Falten?“ Oder du bist unzufrieden, weil du zu schlecht in Mathe, zu nervös, zu ungeschickt, zu verfressen, zu ungeduldig, zu reizbar bist. Sich an diesen Äußerlichkeiten aufzuhalten ist kindisch, aber wenn wir das Böse im eigenen Herzen sehen, ist die Unzufriedenheit gar nicht unberechtigt. Wer von uns kann schon aus vollem Herzen ganz Ja zu sich sagen? Wer kann sich schon selbst mit uneingeschränkter Dankbarkeit annehmen, sich selbst empfangen? Ja, von wem denn empfangen? Von meinen Eltern? Ja, auch von deinen Eltern, aber durch sie hindurch vor allem von dem, der dich mittels deiner Eltern erschaffen und dir im Moment deiner Empfängnis eine unsterbliche Seele geschenkt hat. Unsere Selbstannahme, unsere Selbstempfängnis aus Gottes Hand ist gestört, ist beschädigt, ist befleckt. Wir können uns nicht richtig annehmen, weil wir auch Negatives in uns entdecken. Und dieses Sich nicht richtig annehmen Können ist selbst etwas Negatives. Nur Gott kann uns aus diesem Teufelskreis erlösen. Jeder merkt das bei sich selbst. Wir spüren dabei, daß es eigentlich schöner und im ursprünglichen Sinn auch menschlicher wäre, wenn wir ganz Ja sagen könnten zu uns selbst. Doch dann denken wir: „So etwas gibt es ja in dieser Welt nicht, ein endliches Geschöpf, das ganz mit sich zufrieden, ganz Dankbarkeit, ganz Freiheit, ganz unbeschädigte, reine Selbstempfängnis ist und dabei ganz Hingabe, ganz Selbstlosigkeit, ganz Liebe.“ Wir sagen uns: „Das ist ja zu schön, um wahr zu sein.“

Doch der Glaube der Kirche verkündet uns heute: „Das ist zu schön, um nicht wahr zu sein.“ Maria ist die unbefleckte Empfängnis. Vom ersten Augenblick ihres Lebens an liegt kein Schatten auf ihrer Selbstannahme. Sie ist ganz hell und licht, weil sie ganz aufnahmebereit ist für das Licht, in dem der Schöpfer sie erschafft und ihr selbst und uns allen zum Geschenk macht. Maria wird unbefleckt empfangen und empfängt sich selbst unbefleckt. Dabei ist sie nicht eingebildet und hochmütig, sondern vollkommen demütig: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.“, so singt sie.

„Ja“, sagst du jetzt, „das hört sich vielleicht gut an, aber so etwas kann ich nicht glauben, so etwas Schönes gibt es in dieser Welt einfach nicht.“ – Aber dann laß du dich deinerseits einmal fragen: Glaubst du wirklich, daß Jesus wahrhaft Gottes- und Mariensohn ist? Ist dir bewußt, daß daran unser ganzer Glaube hängt und der Sinn von allem, was wir als Kirche tun? Wenn Jesus nur Mensch ist, dann hat Er uns nicht erlöst, dann sind alle Sakramente inhaltsleere Riten, dann ist unser ganzer Glaube ein großer, tragischer Schwindel! Doch wenn du das glaubst, daß Jesus, der Sohn Mariens, wirklich Gottes Sohn ist, warum fällt es dir dann so schwer zu glauben, daß seine Mutter ganz rein empfangen wurde und sich ganz rein empfängt? Wir hatten doch vorhin gesagt, daß wir nur in soweit einen anderen annehmen können, als wir auch uns selbst angenommen haben. Und wie sollte eine Frau, die sich nicht ganz und ohne Schatten annehmen kann, fähig sein, Gott so sehr auf- und anzunehmen, daß Er in ihr und aus ihr Mensch wird?

Für die Kirche ist der heutige Tag ein Hochfest, weil sie sich freut, daß es so etwas Schönes in dieser dunklen Welt gibt: ein Geschöpf, einen Menschen, eine Frau, die sich ganz rein von Gott empfangen und annehmen kann und so bereit ist, für uns alle durch ihr Jawort Gott selbst ganz anzunehmen und aufzunehmen, Gott, der in ihr Mensch wurde, um uns zu erlösen.

Für meinen Dienst in Oschersleben hat mir die Tatsache Mut und Hoffnung gemacht, daß diese Pfarrei ein so schönes Patronat hat, denn Maria, die unbefleckt empfangene ist ein Licht in dieser Welt, das Schönste, was Gott erschaffen hat. Amen

Am 8.12.12 feiern wir um 15 Uhr die hl. Messe zu unserem Patronatsfest.