Vortrag zum „Jahr des Glaubens“

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Vortrag zum Einkehrtag am 13. Oktober 2012 – „Auf dem Weg zur kleinen Herde“ oder „Warum will ich Christus treu bleiben“?

 

Im letzten Monat in Afrika habe ich einen wunderbaren alten Bischof kennengelernt. Es ist Msgr. Bruno Kouamé (* 1927; gew. 1956; Bischof 1981). Man nennt ihn auch den fröhlichen Bischof. 1934 wurde in der Elfenbeinküste der erste einheimische Priester geweiht; Bruno Kouamé  selbst war bei seiner Weihe 1956 der achtzehnte Priester des Landes. Heute gibt es schon über 1500 einheimische Priester in der Elfenbeinküste! Die Christen dort haben in den letzten 50 Jahren die Erfahrung gemacht: „Wir sind schon so viele“.

Daneben steht unsere Erfahrung der letzten 50 Jahre: Die läßt sich eher in den Worten zusammenfassen: „Wir sind noch so viele…“.

Das ist eine bittere, schwere Erfahrung, die uns lähmen kann.

Und man fragt sich vielleicht: Hat der Glaube noch eine Zukunft? Warum soll ich dem Glauben treu bleiben? Soll ich mein Leben vielleicht auf ein Auslaufmodell festlegen?

Die angesprochene Entwicklung des Niedergangs kirchlichen Lebens ist nicht nur bei uns zu spüren, sondern fast in ganz Mittel- und Westeuropa und unter anderen Vorzeichen auch in Nordamerika, wobei sich dort z.T. das Blatt schon wieder zu wenden scheint. Eigentlich spürt es jeder, und fast jeder erlebt auch in der eigenen Familie, wie geliebte Menschen im Glauben schwach werden. Diese Entwicklung wurde sogar schon mit einem Tsunami verglichen. Der Sinn für das Übernatürliche, der Sinn dafür, daß Gott wirklichste Wirklichkeit ist, ist schwach geworden und bei vielen anscheinend ganz abhanden gekommen, wie als ob der Glaube durch eine große Welle mit mächtiger Gewalt einfach weggespült wird.

Ich glaube, es ist wichtig, daß wir die großen Zusammenhänge dieser Entwicklung sehen und unsere Situation im Zusammenhang der großen Entwicklungen einordnen.

Sonst ist man leicht frustriert und beschuldigt die Mitmenschen. Der Pfarrer sagt: „Die Leute sind schlecht.“ Die Leute sagen: „Der Pfarrer predigt schlecht…“. Und dann kommt der Pfarrer in eine andere Pfarrei und steht vor demselben Problem. Und die Leute haben einen anderen Pfarrer und sagen nach einer Weile: Der macht’s auch nicht wirklich besser.

Man bezeichnet die große Entwicklung, in der wir immer noch stehen, als die „Säkularisierung“.  Die „Säkularisierung“ ist zu unterscheiden von der „Säkularisation“.

Mit „Säkularisation“ bezeichnet man vor allem die Enteignung von Kirchengut, die Aufhebung von Klöstern und Fürstbistümern zu Beginn des 19. Jahrhunderts (z.B. in unserer Nähe Hamersleben, Hadmersleben; Meyendorf und die Huysburg). Das war zwar ein harter Schlag, hat aber evtl. Der Kirche am Ende sogar mehr genutzt als geschadet. Auf alle Fälle gab es in der folgenden Jahrzehnten einen sehr erstaunlichen Aufschwung des religiösen Lebens, einen Boom ein Priester- und Ordensberufungen und einen sehr hohen Gottesdienstbesuch.

Die „Säkularisierung“  hingegen ist geistiger und gesellschaftlicher Prozeß über Jahrhunderte. Es ist das Verblassen der wahrgenommenen Wirklichkeit Gottes in der Gesellschaft und auch im Leben des Einzelnen. Es ist wie eine große dunkle Wolke, in der man Gott nicht mehr wahrnimmt und die Erinnerung an Ihn immer mehr auslöscht. Ich brauche das nicht weiter auszuführen. Jeder weiß, wovon ich rede. Aufhorchen ließ vor wenigen Tag die Meldung, in Skandinavien, eine der am meisten säkularisierten Gegenden von Europa, wo die Katholiken nur eine sehr kleine Minderheit darstellen und wo die protestantischen Volkskirchen im praktischen Leben der Menschen kaum noch Bedeutung haben, dort gäbe es jetzt einen dramatischen Anstieg an Priesterberufungen. Die Pfarrgemeinden sind sehr klein und sehr weit voneinander entfernt. Die Menschen müssen sehr weite Wege zur Kirche zurücklegen. Und trotzdem scheint der Glaube zu blühen. Wahrscheinlich kommt es eben weniger auf die äußeren Umstände an als auf die innere Entschiedenheit.

In diesen Tagen wird nun häufig daran erinnert, daß vor 50 Jahren des II. Vatikanische Konzil begonnen hat. Die Älteren von Ihnen erinnern sich noch an diese Zeit und die Jahre davor, die 50er und die beginnenden 60er Jahre. Chruschtschow, Kennedy und Johannes XXIII stehen für große Hoffnungen auf Entspannung, auf Versöhnung und Fortschritt, die die Menschen für die Zukunft hegten. In diese Zeit fiel dann das letzte Konzil.

Ein gewisser naiver Optimismus der 60er Jahre hat aber getäuscht, so müssen wir heute sagen; es ist eben nicht alles besser geworden. Der technische Fortschritt hat sich zwar rasant weiterentwickelt, aber damit sind auch neue Probleme entstanden und viele alte Probleme wie der Hunger in der Welt wurden trotzdem nicht gelöst. Auch kirchlich gab es eben in den letzten Jahrzehnten nicht nur positive Entwicklungen. Gerade in den alten christlichen Ländern erfolgte vielmehr so etwas wie ein erschreckend schneller Zusammenbruch des kirchlichen Lebens. Das muß man nicht dem letzten Konzil in die Schuhe schieben, aber man muß es nüchtern feststellen.

Einer, der diese Entwicklung schon fünf Jahre vor dem Konzil, als viele noch sehr optimistisch in die Zukunft blickten, schon klar erkannte, ist Joseph Ratzinger. Er schreib 1958 einen Aufsatz mit dem Titel: „Auf dem Weg zur kleinen Herde“.

Darin stellte er fest, daß es ein neues Heidentum innerhalb der Kirche gibt:

„Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, und gerade das ist das Kennzeichnende sowohl der Kirche unserer Tage wie auch des neuen Heidentums, daß es sich um ein Heidentum in der Kirche handelt und um eine Kirche, in deren Herzen das Heidentum lebt. Der Mensch von heute kann also als Normalfall den Unglauben seines Nachbarn voraussetzen.“

Es war die Zeit, als man noch für die kleinen „Heidenkinder“ in Afrika gesammelt hat und in Wirklichkeit mit getauften Heiden zusammen in die Kirche ging.

Ganz grob zusammenfassend kann man die große Entwicklung, die Ratzinger in seinem Artikel aufzeigt, so skizzieren:

  • Urkirche und erste Zeit: Kirche als Gemeinschaft Entschiedener
  • Mittelalter: Kirche und Welt weitgehend deckungsgleich; Christsein nicht mehr aufgrund einer eigenen Entscheidung
  • 1958: Deckung von Kirche und Welt äußerlich weitgehend geblieben, aber mit ausgehöhltem Glauben: „Heute ist die Deckung nur noch Schein, der das wahre Wesen der Kirche und der Welt verdeckt und die Kirche zum Teil an ihrer notwendigen missionarischen Aktivität hindert.“ Unter kommunistischer Herrschaft war das sicher anders (und Ratzinger hatte in seinem Artikel sicher mehr Westdeutschland vor Augen), dennoch stehen auch wir in diesem großen Zusammenhang, in einem ähnlichen geistigen Klima, besonders seit der Wende.
  • Ausblick: Kirche wird in Zukunft mit dem oder gegen ihren Willen eine kleine Herde werden

„Es wird der Kirche auf die Dauer nicht erspart bleiben, Stück um Stück von dem Schein ihrer Deckung mit der Welt abbauen zu müssen und wieder das zu werden, was sie ist: Gemeinschaft der Glaubenden.“

„Es muß wieder klar werden, daß die Sakramente ohne Glauben sinnlos sind, und die Kirche wird hier allmählich und in aller Behutsamkeit auf einen Aktionsradius verzichten müssen, der letztlich eine Selbsttäuschung und eine Täuschung der Menschen einschließt.“

Die Prophezeiung von 1958 hat sich bewahrheitet. Das können wir nach 54 Jahren sagen. Aber der Prozeß ist noch nicht am Ende. Die „Entweltlichung“ muß und wird weitergehen. Die Frage ist, ob wir diese Entwicklung nur passiv erdulden oder ob wir selber dazu beitragen, daß die Kirche immer mehr das wird, was sie eigentlich ist: Gemeinschaft der Glaubenden.

Nun fragen wir uns vielleicht:  Warum soll gerade ich zur kleinen Herde gehören? Warum soll gerade ich treu bleiben?

Die Frage stellen Sie sich vielleicht alle. Und auch ich selber stelle mir diese Frage. Ich möchte versuchen, darauf zu antworten.

Erste Antwort: Die klassische Antwort: um in den Himmel zu kommen, um das ewige Leben zu gewinnen

Auf den alten Missionskreuzen steht: „Rette deine Seele!“. Ich versuche, dem Glauben getreu zu leben, weil ich in den Himmel kommen möchte.

Aber kommen nicht allen guten Menschen in den Himmel? Warum soll ich in die Kirche gehen und die Gebote halten, wenn die anderen sowieso auch alle in den Himmel kommen. Heute wird ja, wenn jemand stirbt, davon ausgegangen, daß er sofort im Himmel ist, sofern man überhaupt an ein jenseitiges Leben glaubt.

Ratzinger hat 1958 das Problem so formuliert: „Wir können nicht glauben, daß der Mensch neben uns, der ein prächtiger, hilfsbereiter und guter Mensch ist, in die Hölle kommt, weil er kein praktizierender Katholik ist. Die Vorstellung, daß alle „guten“ Menschen gerettet werden, ist heute für den normalen Christen ebenso selbstverständlich wie früher die Überzeugung vom Gegenteil.

Der Gläubige fragt sich ein wenig verwirrt: Warum können die draußen es so einfach haben, wenn es uns so schwer gemacht wird?“

Was sagt nun die Kirche dazu?

Christus ist der Weg zum Himmel, der einzige. Niemand kann ohne Christus gerettet werden. Christus möchte, daß wir getauft und so in seinen Tod und seine Auferstehung getaucht werden, Er möchte, daß wir glauben, daß wir aus den Sakramenten leben und daß wir so gerettet werden. Das Leben aus dem Glauben und mit der Kirche ist der Weg in den Himmel, der uns gezeigt und geschenkt ist. Trotzdem hoffen wir auch für die Menschen, die Christus nicht kennenlernen konnten. Das letzte Konzil hat das so ausgedrückt:

  • „Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott jedoch aufrichtigen Herzens sucht und seinen durch den Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in den Taten zu erfüllen versucht, kann das ewige Heil erlangen“ (LG 16).
  • Aber es hat auch gesagt: „Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die sehr wohl wissen, daß die katholische Kirche von Gott durch Jesus Christus als eine notwendige gegründet wurde, jedoch nicht in sie eintreten oder in ihr ausharren wollen“ (LG 14).

Also geht es bei unserer Entscheidung für ein Leben aus dem Glauben weiterhin wirklich um das ewige Leben. Wir leben im Glauben, wir leben mit der Kirche, wir bemühen uns, die Gebote zu halten, um das ewige Leben zu gewinnen. Die Antwort ist also weiter gültig. Ich bleibe dem Glauben treu für die Rettung meiner Seele.

Doch wir fragen weiter: wenn ein Mensch, der schuldlos die Kirche und das Evangelium nicht kennt und Gott aufrichtigen Herzens sucht, unter Umständen auch das ewige Heil erlangen kann, haben wir dann sozusagen Pech gehabt, daß wir getauft sind und die Kirche kennen. Haben wir tatsächlich einen schwereren Weg zum Himmel als andere? Die Firmbewerber zum Beispiel sind heute hier beim Einkehrtag, während ihre ungläubigen Freunde vielleicht gerade Fußball spielen oder noch im Bett liegen oder Computer spielen. Warum habe ich es so schwer – fragt Ihr Euch vielleicht, während die anderen es so leicht haben und am Ende vielleicht trotzdem in den Himmel kommen?

Ist der Glaube eine Last? Ist es einfach Pech, katholisch zu sein, weil man seinem Ehepartner treu sein und sonntags früh aufstehen muß? Wäre es nicht leichter, ein guter Heide zu sein, weil der sonntags erst um elf aufsteht, um mit seinem Hund Gassi zu gehen und die „Bild am Sonntag“ zu holen? Haben wir Pech, daß wir katholisch sind?

Auf die Frage, warum ich dem Glauben treu bleiben will, möchte ich nach der ersten Antwort, nämlich daß ich das ewige Leben erreichen will, eine zweite Antwort geben:

Der Glaube befreit

Denn:  ist der Glaube wirklich nur Belastung?  Ist es wirklich einfacher, ohne Gott zu leben? Haben wir nicht alle schon von ungläubigen Mitmenschen gehört, daß sie uns eigentlich um unseren Glauben beneiden?

Ist es nicht in Wirklichkeit so, daß derjenige, der nicht dem lebendigen Gott dient, automatisch anderen, nämlich falschen Göttern dient? In Afrika ist das ganz buchstäblich so. Den alten Göttern nicht zu opfern, Christus wirklich nicht nur als einen Gott, sondern als den einzigen Gott anzubeten  – einige Freunde von Daah René Akanzan, einem alten Katechisten, den ich im letzten Monat kennenlernen durfte,  sind dafür gestorben. Sie sind umgebracht worden, weil sie gesagt haben: „Christus ist aus Liebe gestorben. Er hat sein Leben hingegeben. Das ist das einzige Opfer. Und wir werden keinen anderen Göttern opfern, sondern wir werden unser Leben mit dem Opfer Christi vereinen.“ Für diesen Glauben waren sie bereit und sind noch heute Menschen bereit, ihr Leben hinzugeben.

Die aber, die nicht ganz und gar Christen geworden sind, opfern immer noch den Göttern. Manche sind tagsüber Christen und nachts Heiden. Aber ist es nicht auch bei uns so? Ja, auch bei uns opfern die, die nicht ganz Christus gehören, den falschen Göttern. Viele Katholiken glauben zwar irgendwie an Christus, aber sie haben daneben andere Götter, auch wenn es ihnen nicht bewußt ist. So kann der Glaube keine Kraft und keine Freude haben. Jeder von uns könnte sich heute an diesem Einkehrtag auch selber fragen, ob er nicht neben dem einzigen Gott in seinem Leben noch andere Götter hat. Man kann sich ganz konkret und ehrlich fragen: Wenn ich gegen mein christliches Gewissen verstoße, gegen die Gebote Gottes und der Kirche, welchen Göttern opfere ich dann? Wie heißen meine heimlichen Hausgötter?

Der Glaube befreit von diesen Göttern, die uns unfrei machen.

Sehr viele Menschen außerhalb der Kirche, aber eben auch die Heiden innerhalb der Kirche verehren diese falsche Götter. Sie opfern ihnen ihre Zeit, sie opfern Kraft, sie opfern sogar Kinder. Ist der Mensch so glücklich? Antworten Sie selbst! Gehen sie in den Supermarkt, schauen Sie sich die Gesichter an und antworten sie selbst: sehen so befreite, glückliche, menschliche Menschen aus? Ich möchte damit niemanden beleidigen. Unsere Mitmenschen sind von Gott geliebt und jeder einzelne von ihnen unendlich wertvoll. Doch die primitivste Religion ist die Religion der Menschen, die sich selbst für religionslos halten. In einem Supermarkt in Oschersleben ist das ungeschminkt zu erkennen. In einem Theater in Hamburg oder München oder in einem reichen Bürgerviertel in Köln kommt dieselbe Realität zum Vorschein, wenn die Masken abgenommen werden. Sind nicht die Augen eines Menschen, der ohne Gott lebt, abgrundtief leer und trostlos?

Am Donnerstag war ich beim Friseur. Dort mußte ich warten und schlug die Zeitung auf. Die Rede war von einer 89jährigen Dame, der man den Hund weggenommen hatte. Vor zwei Jahren war ihr Lebensgefährte gestorben, vor einem Jahr ihr Sohn, und nun sei ihr Hund „Struppi“ ihr „letzter Halt“ gewesen. Ein Hund Struppi als letzter Halt! Ist das wirklich menschlich? Erkennen wir nicht, welch großes Geschenk der Glaube ist, wie glücklich wir sein können, angesichts von Einsamkeit und Tod einen anderen letzten Halt zu haben als den Hund Struppi oder die Katze Schmusi?

Glaube befreit!

Wenn ich nicht dem lebendigen Gott diene, diene ich automatisch anderen Göttern. Ich bilde mir ein, frei zu sein, aber ich bin es immer weniger. Ich opfere dem Gott „Konsum“. Ich opfere dem Gott „Unterhaltung“. Ich opfere dem Gott „Karriere“. Ich opfere dem Gott „Sport“. Ich opfere dem Gott „gesellschaftliches Ansehen und Besitz“. Und sehr viele opfern einem Gott, der heißt „Arbeit“.  Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben? Glaube macht frei, allein schon dadurch, daß er uns sagt: „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“. Wenigstens an einem Tag in der Woche ist mir als göttliches Gebot aufgetragen: Lebe als Mensch, lebe unverzweckt, laß Dich nicht verzwecken und verzwecke dich selbst nicht!

Und es gibt neben den genannten noch andere solcher „Götter“, denen wir huldigen, wenn wir nicht dem lebendigen Gott gehören. Wir kennen sie…

Diesen Göttern werden große Opfer dargebracht. Ganz konkret, bis hin zum Kindesopfer durch die Abtreibung. In der Umgebung des alten Israels wurden auch Kinder den Götzen geopfert. Das galt Israel immer als Greuel. Der Glaube befreit und bewahrt uns davor.

Der Unterschied zwischen uns und den Christen in Afrika, die ich kennengelernt habe: In Afrika werden die Götter Götter genannt. Bei uns haben sie andere Namen, und diejenigen, die sie anbeten, halten sich für aufgeklärt und areligiös, während sie doch in Wirklichkeit einen primitiven Götzendienst betreiben.

Was habe ich also davon, wenn ich dem lebendigen Gott diene? Er schenkt mir das ewige Leben und Er befreit mich von den falschen Göttern. Das erste und wichtigste Gebot in der Bibel ist ein Gebot der Befreiung: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben  mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst und wenn du aufstehst.“

Wenn ich dieses Gebot der Gottesliebe befolge, befreit mich Gott von den falschen Göttern. Ich brauche ihnen nicht mehr zu opfern.

Der Glaube zeigt mir die Wirklichkeit, die Wahrheit. Und so macht er mich frei. Der gefährlichste falsche Gott, dem die Menschen dienen, ist vielleicht das „Ich“: der Mensch als höchstes Wesen. Die Ich-Religion, unwahrscheinlich stark und doch zugleich so trostlos:

Ich verwirkliche mich selbst. Ich baue mein Leben. Ich habe nur dieses eine Leben. Und ich tue alles dafür, damit es ein Erfolg wird. Ich selbst bin der Mittelpunkt meines Universums. Welcher Druck, welche unerfüllbare Erwartung, welche Einsamkeit: Das Ich im Mittelpunkt der Welt!

Davon befreit mich der Glaube: Gott ist die Mitte, nicht das Ich. Die anderen sind nicht konkurrierende Ichs, sondern Brüder und Schwestern. Ist das nicht eine unglaubliche Befreiung? Der Glaube befreit von falschen Göttern, er befreit uns von der Ich-Religion. Ich bin nicht die Mitte, Gott ist die Mitte. Ich kann mein Leben ganz neu ordnen und verstehen.

Wir können für die anderen, die Christus nicht oder noch nicht kennen, beten und hoffen, aus Liebe; aber die echten Christen haben das Evangelium immer als Frohe Botschaft erfahren und verstanden, als Befreiung von falschen Göttern und von Sinnlosigkeit.

Doch ich möchte nun noch ein dritte Antwort geben auf die Frage, was es mir bringt, dem Glauben treu zu sein.

Glauben aus Liebe

Käme ich in den Himmel, hätte aber die Liebe nicht, wäre dann der Himmel für mich Himmel oder nicht vielmehr Hölle?

Was ist der Himmel, wenn nicht Freude an Gott? Gott aber ist die Liebe. In Ihm ist nur Liebe. Er ist die Liebe. Jesus hat es gezeigt und bewiesen.  Wenn Gott sich wirklich so offenbart hat, kann ich dann sagen: Ich lebe jetzt, als ob es Gott nicht gäbe, ich lebe jetzt wie ein Ungläubiger, und dann komme ich ja sowieso in den Himmel, weil Gott ja lieb ist und barmherzig, und dann im Himmel freue ich mich in aller Ewigkeit an dem, wofür ich jetzt keine Zeit und kein Interesse habe?

Wäre dann der Himmel für mich wirklich der Himmel?

Der Lohn der Liebe ist die Liebe, der Lohn der Liebe ist der Geliebte! „Eine Ewigkeit ohne Liebe ist die Hölle, auch wenn einem sonst nichts geschieht.“ (Ratzinger)

Im Psalm 16 heißt es: »Ich sage zum Herrn: ›Du bist mein Herr; mein ganzes Glück bist du allein‹« (V. 2) Und im Psalm 73: »Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde… Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen« (Ps 73,25.28).

Die tiefste und schönste Antwort darauf, was ich vom Glauben habe, ist: Ich möchte Gott treu sein aus Liebe. Er hat mir seine Liebe gezeigt und geschenkt. Und ich liebe Ihn aus Liebe. Ich liebe Ihn und will Ihm treu sein, nicht weil ich dafür etwas bekommen, weil ich davon etwas habe, sondern weil ich erkannt habe: Gott ist die Liebe. Und: Gott hat uns zuerst geliebt. „Nicht darin besteht die Liebe,“ schreibt der Apostel Johannes, „daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“

Und von Angelus Silesius, dem großen schlesischen Dichter, stammen die Worte:

„Die Ros’ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet,

sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.

Mensch, dienst du Gott um Gut, um Seligkeit, um Lohn,

so dienst du ihm noch nicht aus Liebe wie ein Sohn.

Gib deinen Willen Gott! Denn wer ihn aufgegeben,

derselbe führt allein ein königliches Leben.

Die Lieb ist unser Gott, es lebet all’s durch Liebe.

Wie selig wär ein Mensch, der stets in ihr verbliebe!“

Ja, die letzte und schönste Antwort darauf, was mir der Glaube gibt, ist: daß ich durch den Glauben alles empfange, daß ich aber Gott aus keinem anderen Grund treu sein will als aus Liebe.

Es gibt ein wunderschönes Gebet des hl. Franz Xaver, in dem genau das ausgedrückt ist:

 

„O Gott, ich liebe dich;

ich liebe dich nicht, damit du mich rettest,

oder weil du diejenigen, die dich nicht lieben, mit dem ewigen Feuer strafst.

Du, du, mein Jesus, du hast mich ganz auf dem Kreuz umarmt;

du hast Nagel, Lanze und viel Schmach, unzählbare Schmerzen getragen,

Schweiß und Ängste

und Tod; und das meinetwegen

und für mich, Sünder.

Warum würde ich dich denn nicht lieben,

O liebenswürdigster Jesus?

weder damit du mich im Himmel rettest,

oder mich nicht für immer verdammst,

noch in der Hoffnung auf irgendeine Belohnung;

sondern wie du mich geliebt hast,

so liebe ich dich und werde dich so lieben,

nur deshalb, weil du mein König bist und nur deshalb, weil du Gott bist.

Amen“

Liebe Brüder und Schwestern, nicht, was wir davon haben, sondern diese Liebe selbst ist unser Licht. Der alte Katechist in Afrika, von dem ich vorhin sprach, hat, als wir ihn an seinem Krankenlager besuchten, gesagt: „Christus ist unser Licht!“. Das wußte ich schon vorher, aber manchmal bekommen bekannte Worte einen neuen Klang und eine neue Kraft, wenn sie von einem ganz bestimmten Menschen gesagt werden.

Und  Bischof Kouamé, vom ich ganz am Anfang berichtete, habe ich gebeten, ein Wort in mein neues Testament zu schreiben. Er schrieb hinein: „Unser Licht ist Jesus Christus – folgen wir ihm“. Das möchte ich Ihnen heute weitergeben.

Wir stehen immer in den großen geschichtlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen. Wir können den Prozeß der Säkularisierung nicht einfach aufhalten. Wir können aber in all dem Christen sein, Christus treu bleiben, sein Licht weitertragen, die Fackel mit dem Glaubenslicht weitertragen für die, die uns einmal außerordentlich dankbar dafür sein werden.

Der alte Bischof wurde in einer besonderen Situation zum Bischof ernannt. Seine beiden Vorgänger waren nämlich beide kurze Zeit nach der Bischofsweihe gestorben. Und als er dann geweiht wurde, waren die Menschen alle traurig und sagten sich: Er wird auch sterben. Nachdem er geweiht war, ergriff er aber das Wort und sagte: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Taten des Herrn verkünden.“ Die Leute in der Kirche fingen an zu trommeln und zu jubeln. Und heute, 31 Jahre später, ist der Bischof immer noch nicht gestorben. Man hat zwar im letzten Jahr sein Haus abgebrannt, und sicher gab es in seinem Leben noch andere Schläge und Schwierigkeiten. Und doch ist er einer der fröhlichsten Menschen, die ich kenne. Er hat uns auch erklärt, in welcher Haltung er jetzt im Alter lebt: Wenn er morgens aufsteht, sagt er sich: „Entweder ist das heute mein Todestag oder der Tag vor meinem Todestag.“ Er weiß, der Tod bringt ihn zum Leben. „Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Taten Gottes verkünden!“ Mögen auch wir als „kleine Herde“ in dieser Haltung unseren Glauben leben.

Möge dazu dieser Einkehrtag beitragen und das ganze Jahr des Glaubens, das der Hl. Vater angeregt hat und das wir bis zum Christkönigfest 2013 mit der Weltkirche begehen wollen. Vielen Dank!

 

 

Anregungen, Fragen zum Gespräch nach Predigt und Vortrag

 

„Er ist dein Licht; Seele, vergiß es ja nicht.“ Wo, wann habe ich das erfahren?

Wer ist für mich „Zeuge der Auferstehung“?

Mit wem kann ich über meinen Glauben reden? Was tue ich für meinen Glauben?

Was gibt mir der Glaube? Warum will ich Christus treu sein auch in der kleinen Herde?