In der „Volksstimme“ lesen wir, daß wir zu Fronleichnam „gesegnetes Brot“ als „Zeichen für die Gegenwart Gottes“ durch die Straßen tragen. Der katholische Leser fragt sich, ob (und von wem) die Journalistin falsch informiert wurde oder ob er seit seiner Kindheit einem falschen Glauben anhängt. Vor dem Abendessen segne ich immer das Brot. Und das Brot ist mir Zeichen der Güte und Nähe Gottes. Aber noch nie kam ich auf die Idee, eine Scheibe Brot feierlich durch die Straße zu tragen.
In der Volksstimme vom 22.6. auf S. 2. „Fronleichnam – Katholiken feiern im Dom“ schreibt Frau Silke Jonko: „… Im Mittelpunkt des im 13. Jahrhundert entstandenen Festes am zweiten Donnerstag nach Pfingsten steht gesegnetes Brot als Zeichen für die Gegenwart Gottes, das in einer Monstranz, einem liturgischen Schaugefäß, für alle sichtbar bei einer Prozession durch die Straßen getragen wird….“
In Wirklichkeit kann man aber das ganze Fronleichnamsfest nur verstehen, wenn man Kenntnis hat vom katholischen Glauben, wonach wir nicht nur gesegnetes Brot, sondern den wahren Leib des Herrn unter der Gestalt des Brotes verehren.
Unser Glaube wird bestens ausgedrückt im Hymnus „Lauda Sion“ des hl. Thomas von Aquin:
Lauda Sion Salvatorem, Lauda ducem et pastorem In hymnis et canticis. |
Deinem Heiland, deinem Lehrer, deinem Hirten und Ernährer, Sion, stimm ein Loblied an! |
Quantum potes, tantum aude, Quia maior omni laude, Nec laudare sufficis. |
Preis nach Kräften seine Würde, da kein Lobspruch, keine Zierde seinem Ruhm genügen kann. |
Laudis thema specialis Panis vivus et vitalis Hodie proponitur. |
Dieses Brot sollst du erheben, welches lebt und gibt das Leben, das man heut‘ den Christen weist. |
Quem in sacræ mensa cœnæ Turbæ fratrum duodenæ Datum non ambigitur. |
Dieses Brot, mit dem im Saale Christus bei dem Abendmahle die zwölf Jünger hat gespeist. |
Sit laus plena, sit sonora; Sit iucunda, sit decora Mentis iubilatio, |
Laut soll unser Lob erschallen und das Herz in Freude wallen, denn der Tag hat sich genaht, |
Dies enim solemnis agitur In qua mensæ prima recolitur Huius institutio. |
Da der Herr zum Tisch der Gnaden uns zum ersten Mal geladen und dies Mahl gestiftet hat. |
In hac mensa novi Regis Novum Pascha novæ legis Phase vetus terminat. |
Neuer König, neue Zeiten, neue Ostern, neue Freuden, neues Opfer allzumal! |
Vetustatem novitas, Umbram fugat veritas, Noctem lux eliminat. |
Vor der Wahrheit muss das Zeichen, vor dem Licht der Schatten weichen, hell erglänzt des Tages Strahl. |
Quod in cœna Christus gessit, Faciendum hoc expressit In sui memoriam: |
Was von Christus dort geschehen, sollen wir fortan begehen, seiner eingedenk zu sein. |
Docti sacris institutis Panem, vinum in salutis Consecramus hostiam. |
Treu dem heiligen Befehle wandeln wir zum Heil der Seele in sein Opfer Brot und Wein. |
Dogma datur Christianis, Quod in carnem transit panis Et vinum in sanguinem. |
Doch wie uns der Glaube kündet, der Gestalten Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot und Wein. |
Quod non capis, quod non vides, Animosa firmat fides Præter rerum ordinem. |
Was das Auge nicht kann sehen, der Verstand nicht kann verstehen, sieht der feste Glaube ein. |
Sub diversis speciebus, Signis tantum et non rebus, Latent res eximiæ: |
Unter beiderlei Gestalten hohe Dinge sind enthalten, in den Zeichen tief verhüllt. |
Caro cibus, sanguis potus, Manet tamen Christus totus Sub utraque specie. |
Blut ist Trank, und Fleisch ist Speise, doch der Herr bleibt gleicherweise ungeteilt in beider Bild. |
A sumente non concisus, Non confractus, non divisus Integer accipitur. |
Wer ihm nahet voll Verlangen, darf ihn unversehrt empfangen, ungemindert, wunderbar. |
Sumit unus, sumunt mille, Quantum isti, tantum ille, Nec sumptus consumitur. |
Einer kommt, und tausend kommen, doch so viele ihn genommen, er bleibt immer, der er war. |
Sumunt boni, sumunt mali, Sorte tamen inæquali, Vitæ vel interitus. |
Gute kommen, Böse kommen, alle haben ihn genommen, die zum Leben, die zum Tod. |
Mors est malis, vita bonis, Vide paris sumptionis Quam sit dispar exitus |
Bösen wird er Tod und Hölle, Guten ihres Lebens Quelle, wie verschieden wirkt dies Brot! |
Fracto demum sacramento, Ne vacilles, sed memento Tantum esse sub fragmento, Quantum toto tegitur. |
Wird die Hostie auch gespalten, zweifle nicht an Gottes Walten, dass die Teile das enthalten, was das ganze Brot enthält. |
Nulla rei fit scissura, Signi tantum fit fractura, Qua nec status nec statura Signati minuitur |
Niemals kann das Wesen weichen, teilen lässt sich nur das Zeichen, Sach‘ und Wesen sind die gleichen, beide bleiben unentstellt. |
Ecce panis Angelorum, Factus cibus viatorum, Vere panis filiorum, Non mittendus canibus! |
Seht das Brot, die Engelspeise! Auf des Lebens Pilgerreise nehmt es nach der Kinder Weise, nicht den Hunden werft es hin! |
In figuris praesignatur, Cum Isaac immolatur, Agnus Paschæ deputatur, Datur manna patribus. |
Lang im Bild war‘s vorbereitet: Isaak, der zum Opfer schreitet; Osterlamm, zum Mahl bereitet; Manna nach der Väter Sinn. |
Bone pastor, panis vere, Jesu, nostri miserere, Tu nos pasce, nos tuere, Tu nos bona fac videre In terra viventium. |
Guter Hirt, du wahre Speise, Jesus, gnädig dich erweise! Nähre uns auf deinen Auen, lass uns deine Wonnen schauen in des Lebens ewigem Reich! |
Tu qui cuncta scis et vales, Qui nos pascis hic mortales, Tuos ibi commensales, Cohæredes et sodales Fac sanctorum civium. |
Du, der alles weiß und leitet, uns im Tal des Todes weidet, lass an deinem Tisch uns weilen, deine Herrlichkeit uns teilen. Deinen Seligen mach uns gleich! |
Franz Xaver Riedel (1773)