Karfreitagspredigt 2018

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Liebe Brüder und Schwestern, den Worten eines Sterbenden wird eine besondere Bedeutung zugemessen. Es ist eine Gnade, wenn sich Familie und Freunde von einem Sterbenden verabschieden können. Wir wissen, daß schon manche nicht eher „sterben konnten“, als noch eine bestimmte Person an ihr Bett gekommen war. Manchmal bedrückt den Sterbenden noch etwas. Ein Wort der Versöhnung steht noch aus. Eine Sorge um einen Menschen hält ihn noch auf.

Vielleicht erinnern wir selbst uns an das letzte Wort eines Sterbenden aus unserem Umkreis. Meinem Gedächtnis etwa hat sich eingeprägt, wie ich in meiner ersten Vikarsstelle einem alten Herrn die Sakramente spenden durfte und das letzte, was er noch sagen konnte, war ein „Danke“.

Was wird einmal mein letztes Wort auf dieser Erde sein?

Unsere letzten Worte sind ja so etwas wie ein Testament. Als solches können wir auch die sieben Worte des Gottessohnes am Kreuz verstehen, die uns die Evangelisten überliefern. Worte von unendlich tiefer Bedeutung. Sie gehen jeden von uns an. Sie betreffen das Sterben Jesu, aber auch unsere eigene Todesstunde, von der niemand weiß, wann sie eintritt, aber von der wir aber hoffen, daß sie gut wird.

Jesus sagt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34) Der Herr betet für die, die Ihn so grausam quälen. Bitten wir Ihn, daß wir den anderen, die uns Böses tun, verzeihen. In diesem Geist schrieb der Selige Karl Leisner, nachdem er zwar aus dem KZ befreit worden, aber nicht mehr heilbar war, als letzten Eintrag in sein Tagebuch: „Segne, Herr, auch meine Feinde.

Zum reuigen Schächer spricht Jesus: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43) Buchstäblich in der letzten Stunde seines Lebens wandte dieser Verbrecher sich dem Erlöser zu. Bitten wir darum, die Begegnung mit dem Herrn nicht aufzuschieben, bis es zu spät ist. Denken wir aber auch an das Wort des hl. Pfarrers von Ars, des großen Heiligen der Beichte: „Es gibt manche, die sagen: ‚Ich habe zuviel Schlechtes getan, der liebe Gott kann mir nicht vergeben‘. Das ist eine große Gotteslästerung. Damit legt man eine Grenze an die Barmherzigkeit Gottes, und sie hat keine: sie ist unendlich.

Zu Maria spricht Jesus die Worte: „Frau, siehe, dein Sohn!“ und zu Johannes: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27) Die christliche Frömmigkeit hat Jahrhunderte gebraucht, um Maria nicht nur Gottesmutter zu nennen, sondern auch als „unsere Mutter“ anzusprechen. Sicher haben die frühen Christen schon gespürt, daß Maria auch ihre Mutter war. Aber ehrfürchtige Scheu ließ sie zögern, Maria direkt so anzusprechen. Doch zu Recht dürfen wir das Wort des Herrn an den Lieblingsjünger auch auf uns selbst beziehen: „Siehe, deine Mutter“. Was für ein Geschenk des Gekreuzigten an uns, daß wir das aussprechen und glauben dürfen: Maria, unsere Mutter! Seien wir dankbar für die geistige Mutterschaft Mariens und bitten wir sie immer wieder: „Heilige Maria, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Matthäus und Markus überliefern uns das Wort „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27,46) Der hl. Kirchenlehrer Johannes von Damaskus schreibt dazu: „Das Wort aber: ‘Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen‘, sprach er, weil er unsere Stelle vertrat.“ Denn weder sei der Vater sein Gott noch sei Christus von seiner eigenen Gottheit verlassen gewesen,  „sondern wir waren die Verlassenen und Verachteten. Daher betete er dieses, weil er unsere Stelle vertrat.“ (De fide orthodoxa, III, 24) Jesus hat unsere Rolle angenommen und sich mit uns zusammengestellt. Daher dieses ganze Todesleiden am Kreuz. Was für ein Wunder göttlicher Liebe!

Das Wort „Mich dürstet.“ (Joh 19,28) hat zunächst die ganz physische Bedeutung des Durstes eines auf furchtbare Weise Sterbenden. Sodann dürfen wir darin aber auch den Durst Jesu nach unseren Seelen, nach unserem Glauben, nach unserer Rettung erkennen. So sagte es auch Mutter Teresa, für die dieses Wort besonders wichtig war. Sie gründete ihre Gemeinschaft der Nächstenliebe, um den Durst Jesu nach Liebe und nach Seelen zu stillen. Wenn wir glauben, wenn wir uns lieben lassen und selbst lieben, dann stillen wir den Durst Jesu.

Der vierte Evangelist überliefert uns auch die Worte: „Es ist vollbracht. Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.“ (Joh 19,30) Im Griechischen klingt hier der Ausdruck an, den wir schon am Gründonnerstag hörten: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ (Joh 13, 1) Und jetzt ist es vollendet. Er ging wirklich bis zum Ende, zum Äußersten, um uns zu retten.

Schließlich ist es der hl. Lukas, der das letzte der sieben Worte aufgeschrieben hat: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46) Jeden Abend betet die Kirche dieses Wort, das aus den Psalmen stammt, in ihrem Nachtgebet, der Komplet. Wenn wir schlafen gehen, so ist dies jeden Abend ein Bild des Todes. Weil aber Jesus für uns gestorben ist, darum dürfen wir voll Vertrauen einschlafen und auch vertrauensvoll unser ganzes Leben in die Hände des Vaters legen, der der Vater Jesu ist, aber durch Jesus auch unser Vater: Vater, in deine Hände lege auch ich meinen Geist. Amen