Ist Gott unsere Mutter?

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Ist Gott unsere Mutter?

 

Können wir als Christen beten: „Gott, unsere Mutter und unser Vater“, wie es beim „Weltgebetstag“ 2022 vorgeschlagen wird?

1.) Alle Christen glauben, daß die Heilige Schrift normativ Zeugnis davon gibt, wie Gott sich uns Menschen offenbaren will.

In der Heiligen Schrift können wir Hinweise darauf finden, daß Gott auch Eigenschaften hat, die wir mütterlich nennen.

So z.B., wenn im Alten Testament vom mitleidenden Erbarmen Gottes die Rede ist und dabei das schöne hebräische Wort רַחֲמִים֙ (rachamim, Plural, auch Eingeweide) verwendet wird, das vom Wort רֶחֶם (rechem, Einzahl) stammt, das mit Mutterschoß übersetzt werden kann. Damit ist nicht gesagt, daß Gott einen Mutterschoß hat, jedoch betont das Wort das zarte Mitgefühl Gottes. In Sacharja 1, 16 heißt es beispielsweise: „Darum so spricht der HERR: Ich will mich wieder zu Jerusalem kehren mit Barmherzigkeit…“ (בְּֽרַחֲמִ֔ים). In Jesaja 49, 15 spricht Gott: „Kann denn eine Mutter ihr Kindlein vergessen? Und selbst wenn sie das könnte – sagt Gott – ich vergesse dich nicht!“ In der lateinischen Vulgata wird Kindlein mit filius uteri übersetzt. Gott vergleicht sich also selbst mit einer Mutter.

Mit dem Psalmisten beten wir: „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir.“ (Ps 131, 2) Wir können Gott vertrauen wie einer guten Mutter.

Im Evangelium vergleicht sich Jesus selbst mit einer Mutterhenne: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt.“ (Mt 23, 37 par.)

Halten wir fest: In der Bibel findet sich durchaus der Hinweis auf mütterliche Eigenschaften Gottes und der Vergleich unseres Verhältnisses zu Gott mit dem eines Kindes zu seiner liebevollen Mutter.

2.) Können wir also zu Gott beten: „unsere Mutter“?

Die Antwort lautet: Nein!

Auch wenn es diese und andere Stellen gibt, die eine mütterliche Liebe Gottes offenbaren, so gibt es doch keinen einzigen Beleg dafür, daß die Gläubigen des Alten Bundes oder die Christen des Neuen Testamentes Gott als „Mutter“ angesprochen hätten.

Auch wenn die volle Offenbarung der liebenden Vaterschaft Gottes erst im Neuen Testament durch Jesus Christus gebracht wird, ist Gott schon im Alten Testament als Vater bekannt. Dies ist sicher oft als Metapher zu verstehen, aber dennoch von tiefster Bedeutung.

Im Neuen Testament betet Jesus selbst und spricht: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht, was ich will, sondern was du willst.“ (Mk 14, 36). Der Tempel ist für Ihn das „Haus meines Vaters“ (vgl. Lk 2, 49). Niemals betet Jesus zu Gott als zu seiner Mutter.

Gott ist in unvergleichlicher Weise sein Vater. Aber durch Jesus werden auch wir zu Kindern dieses Vaters. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, sagt Jesus (Joh 14,9). Und: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“ (Mt 11, 27)

Als die Jünger Ihn bitten, sie beten zu lehren, antwortet Er: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater unser…“ (Mt 6, 9–13  und Lk 11, 2–4).

Im Epheserbrief 3, 15 heißt es: „Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ (wörtlich: „von dem jede Vaterschaft (πατριὰ) im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“). Dies ist eine sehr wichtige Stelle, zeigt sie doch, daß wir Gott nicht Vater nennen, weil wir Erfahrungen mit unseren menschlichen Vätern auf Ihn projizieren, sondern daß umgekehrt in Wirklichkeit ER der VATER ist, von dem unsere menschlichen Väter nur ein Bild sind.

3.) Manche werden einwenden, dies alles lasse sich aus den antiken patriarchalen Gesellschaftsstrukturen im Umfeld der Bibel erklären. Aber genau dies ist nicht der Fall. Denn sonst hätte es in den das Volk Israel und die ersten Christen umgebenden durchaus meist patriarchal bestimmten heidnischen Gesellschaften keine Muttergottheiten geben dürfen. Diese gab es aber. Denken wir nur an die ägyptische Göttin Mut (ihr Name ist sprachlich wohl verwandt mit unserem Wort „Mutter“) oder an die große Artemis von Ephesus mit ihren vielen Brüsten (vgl. Apg 19, 23ff) oder die phrygische Muttergottheit Kybele. (Heute wäre u.a. der wiederbelebte Pachamamakult in Südamerika zu nennen.)

Ein Gebet zu Gott als „unsere Mutter“ ist in der 2000jährigen Geschichte der christlichen Liturgie- und Gebetstradition unbekannt.

Wir müssen darum sagen, daß wir als Christen, wenn wir der Offenbarung treu bleiben wollen, nicht zu Gott als „unserer Mutter“ beten können.

Dies würde ein anderes, unbiblisches und unchristliches Gottesbild bedeuten und unweigerlich neue Spaltungen hervorrufen.

4.) Es sei darauf hingewiesen, daß Gott Vater ist, aber weder Mann noch Frau. Gott ist reiner Geist und kein Mensch (vgl. z.B.: Numeri 23, 19; Hos 11, 9; Joh 4, 24). Die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Sohn, ist zu unserem Heil Mensch geworden. Und Jesus Christus ist ein Mann, und Er ist der Bräutigam (vgl. Joh 3, 29; Apk 19). Das Gebet zu „Gott-Mutter“ zerstört die offenbarte biblische Geschlechtersymbolik.

Wir können und dürfen die Sprache der Offenbarung Gottes nicht ändern. Sonst bringen wir alles durcheinander und wachen in einer neuen, anderen Religion auf.

Bei allen berechtigten Anliegen eines christlichen Feminismus können wir uns nicht daran gewöhnen, zu „Gott, unserer Mutter“ zu beten.

Der Heilige Geist wird heute manchmal als „heilige Geistkraft“ bezeichnet, so auch in den Texten des „Weltgebetstages“. Man beruft sich darauf, daß im Alten Testament Geist ein weibliches Wort ist: rûaḥ (רוּחַ). Dieses Wort kann ähnlich wie das griechische Pneuma (πνεῦμα), ein Neutrum, auch Atem, Luft, Wind bedeuten.

Auch wenn das hebräische Wort weiblich ist, so ist „die Geistkraft“ doch eine schlechte Übersetzung. Denn der Hl. Geist (Spiritus Sanctus) ist eine Person und keine unpersönliche Kraft oder Energie!

Wir haben den „Geist empfangen, in dem wir rufen: Abba Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8, 15f).

Bleiben wir also bei dem, was uns offenbart wurde, und bei dem, was unsere Mütter und Väter uns im Glauben gelehrt haben.

Lösen wir nicht das auf, was alle christlichen Männer und Frauen verbindet, wenn sie beten „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“!

 

Christoph Sperling, Pfarrer

  1. März AD 2022