Predigt von Bischof Barthélemy Adoukonou am Weihnachtstag

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Weihnachten 2013 in Oschersleben Tagesmesse

Predigt von Bischof Barthélemy Adoukonou,

Sekretär des Päpstlichen Kulturrates

 

Meine lieben Brüder und Schwestern!

In dieser Nacht haben wir begonnen, Anteil an der Freude zu empfangen, die Himmel und Erde verbindet. Wir haben erkannt, daß die Geburtsgeschichte des Herrn kein Märchen ist, das wir jedes Jahr wieder lesen, um aus unserer Wirklichkeit in eine längst vergangene Kindheit zu fliehen. Wenn es so wäre, dann wäre der einzige Unterschied zwischen den Kindern und uns, daß die Kinder noch an die Existenz des Weihnachtsmannes glauben und wir dagegen darüber lächeln.

Während damals das Weihnachtsgeschehen sich in absoluter Demut und Verborgenheit vollzog, fuhr die Weltgeschichte fort in ihrem Lauf, den damals das Römische Reich bestimmte. Und es war genauso wie heute, wo die Globalisierung wie eine Dampfwalze über die Welt hinwegrollt mit ihren mörderischen Auseinandersetzungen, dem exponentiellen Wachstum der Armut derer, die schon arm sind, der Arbeitslosigkeit einer Jugend, der die Zukunft verbaut wird, der Ausgrenzung der Vierten und der Dritten Welt, den schiffbrüchigen Flüchtlingen im Mittelmeer und mit vielen anderen dramatischen Ereignissen. Wenn die Weihnachtsgeschichte nur ein Märchen wäre, dann würden wir inmitten dieser Situation das Fest feiern wie eine Flucht, die uns für ein paar Momente in eine heile Welt versetzte.

Aber wir haben diese stärkste aller Botschaften verstanden, die das Weihnachtsereignis seit 2000 Jahren der Welt bringt: das ewige, fleischgewordene Wort, hervorgegangen aus dem familiären Schoß der Dreifaltigkeit, hat seit dieser Heiligen Nacht einen Ausweg aus unserer Selbstverschlossenheit geschaffen, der Selbstverschlossenheit eines jeden einzelnen von uns, unserer Familien, unserer Gesellschaften, unserer Kulturen, einen Ausweg hin zu neuen Horizonten. Wir haben heute Nacht begonnen, uns darüber zu freuen, daß Europa in die Mission hinausgezogen ist bis an die Grenzen der Erde. Und wir haben gejubelt, daß die Mission jetzt an ihren Ausgangspunkt zurückkommt. Jetzt kommen wir Afrikaner zu euch mit der Frohen Botschaft, die wir von euren Vätern empfangen haben! Die Mission ist gelungen: die Kirche ist in zahlreichen Gegenden der Welt geboren worden.

Uns hier an der Krippe vereint zu finden als Angehörige verschiedener Kontinente, Länder und Kulturen, war uns ein Zeichen des spürbaren Triumphes der Gnade seit zweitausend Jahren. Weihnachten zu feiern, das ist nicht eine unfruchtbare Wiederholung hohler und kindischer Fluchtversuche aus der Wirklichkeit dieser Welt. Die wahre Brüderlichkeit und die Solidarität breiten sich von der Krippe her in der Welt aus. Sie sind Ausdruck der Gnade; und sie lassen uns von dieser Heiligen Nacht her fragen: Wie können wir unsererseits dieses missionarische Aus-Sich-Herausgehen heute fortführen?

Die Texte der Tagesmesse von Weihnachten laden uns ein, diese Betrachtung fortzuführen, die wir in der Nacht begonnen haben.

Jesaja will uns in der Ersten Lesung wirklich brennen lassen vor Verlangen, Missionare zu werden, Überbringer der Frohen Botschaft: „Oh! Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König.“

Der Hebräerbrief in der Zweiten Lesung verkündet den außergewöhnlichen und einzigartigen Charakter des letzten Wortes Gottes in diesen Zeiten, die die letzten Zeiten sind, weil Gott sich nach den vielen Offenbarungen an unsere Väter in der Vergangenheit nun in diesem Wort ganz ausgesprochen hat. Er spricht zu uns durch das Wort, das sein Sohn ist, der der Erbe aller Dinge ist und durch den er die Welt erschaffen hat.

Der feierliche Prolog des Johannesevangeliums besingt das Geheimnis der ewigen Sohnschaft des Wortes, des Einziggezeugten, der zum Schoß des ewigen Vaters hin existiert, in einer Beziehung der Liebe, die ihn als göttliche Person ausmacht. Johannes, der Adler, der seinen Blick in das Licht der Sonne taucht, verkündet uns Geheimnisse, die nur wahrgenommen und nur ausgedrückt werden können dank seines vom selben Liebesfeuer brennenden Herzens, das einst den Dornbusch brennen lies, ohne ihn zu verbrennen: „Im Anfang war das Wort, und das Wort existierte hingewendet zum Schoß des Vaters, und das Wort war Gott…“. Das Wort ist Leben, das Wort ist Licht, das Wort erleuchtet jeden Menschen, der in die Welt kommt. Der Evangelist Johannes definiert in diesem Licht unsere Identität als Getaufte: wir sind „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren“. Indem wir aus diesem neuen Leben leben, können wir bekennen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Dieses fleischgewordene Wort, der Sohn des Vaters, strahlt von Herrlichkeit und Wahrheit. Wie der heilige Johannes der Täufer müssen wir seine Zeugen werden für alle in der Welt, die ihn noch nicht kennen.

Die missionarische Berufung, von dem wir in der Nacht sprachen, drängt uns mehr denn je: wir müssen hinausgehen. Die Liebe, deren Zeugen wir geworden sind, ist Liebe, die sich selbst verströmt. Weil wir diese Liebe Gottes erkannt haben, der sich mit unserer Menschheit identifiziert, müssen wir ihre Gegenwart zu den anderen bringen, indem wir aus uns selbst herausgehen, aus unseren Kulturen, unseren Nationen und Rassen. Eine neue Ära der Evangelisierung hat begonnen: die der christlichen Globalisierung. Die Welt ist ein globales Dorf geworden: die Art und Weise der Kultur, die jeder von uns lebt und voranbringt, ist entscheidend dafür, ob die Weihnachtsgnade wirklich alle Völker erreicht und auch die intimsten Regionen des menschlichen Lebens oder ob sie es nicht tut.

In seinem Nachsynodalen Schreiben Evangelii Gaudium hat Papst Franziskus, um uns alle in die Verkündigung des Evangeliums hinauszuschicken, eine starke Aussage gemacht: „Die Gnade setzt die Kultur voraus“.

Brüder und Schwestern, laßt uns nicht eine Kultur leben, die die Weihnachtsgnade für die Völker aushöhlt und vergeblich macht! Leben wir vielmehr aus einer Kultur, die die wahre Brüderlichkeit fördert, die die Familie fördert, so wie Gott sie will und geschaffen hat. Laßt uns leben aus einer Kultur, die das Leben fördert und durch eine echte Solidarität Ausgrenzung und soziales Elend verhindert!

Am Ende möchte ich vor dem Glaubensbekenntnis und den Fürbitten euch daran erinnern, daß wir diese Art von Gemeinschaft – drei Kontinente sind jetzt unter uns vertreten! – dem missionarischen Hinausgehen eures Pfarrers Christoph Sperling verdanken. Ohne seine Offenheit und seinen missionarischen Eifer wären wir hier in Oschersleben nicht zusammengekommen, versammelt um die Krippe des neugeborenen Herrn, um von ihr her die Gnade zu empfangen, jetzt schon einen lebendigen Teil des brüderlichen Leibes Christi zu bilden  und so mitzuwirken am Aufbau der Kirche als wachsende Familie Gottes in dieser Welt.

Ich wünsche euch, liebe Christen von Oschersleben, daß ihr die Freude des Evangeliums neu spürt und sie niemals verliert und so daran mitwirkt, daß das alte Europa, das sich von seinen christlichen Wurzeln abgeschnitten hat, an der Quelle seiner eigentlichen Kultur in neuer Jugend wieder aufblüht.

Gelobt sei Jesus Christus. –  In Ewigkeit. Amen.

Frohe Weihnachten!