Predigt von Bischof Barthélemy Adoukonou in der Heiligen Nacht

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Messe zur Heiligen Nacht 2013 in Oschersleben
Predigt von Bischof Barthélemy Adoukonou

bischof-adoukonouMeine lieben Brüder und Schwestern in Christus!
Vor zweitausend Jahren begann dieses unerhörte Ereignis seinen Weg durch die Geschichte der Menschheit. Wie die Apostel uns bezeugen, hat sich in der Geburt Jesu in Betlehem in Judäa der große Triumpf des Friedens und der Freude erfüllt, von dem uns Jesaja in der Ersten Lesung sprach. Inmitten von Waffenklirren und Leichenbergen, die die öffentlich wahrgenommene Geschichte der damaligen Zeit ausmachten, wurde in der Krippe von Betlehem der Friedensfürst geboren. Mit seiner Geburt – dessen sind wir sicher! – erweist sich seine große Macht; und Friede wird sein für alle Zeit.
Ein besonders kraftvoller Apostel, Paulus, der Apostel der Heiden, stärkt den Glauben seines Schülers Titus und auch den unsrigen, indem er schreibt: „Die Gnade Gottes ist erschienen“.
Die Engel im Evangelium verkünden in tiefster Nacht den Hirten, die ihre Herden hüten: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“. Und von hier aus erschallt laut das Lied der Freude: „Ehre sei Gott in der Höhe“.
Ist das für uns, die wir dieses Ereignisses aus einem Abstand von mehr als zweitausend Jahren gedenken, nur eine Fabel? Eine Kindergeschichte? Oder betrifft uns das tatsächlich?
Doch was ist das nun für eine Botschaft, die hier verkündet wird? In einer säkularisierten Welt, die sich mit Entschiedenheit so entwickelt, als ob Gott nicht existierte, die sich anschickt, sogenannte „neue Formen der Familie“ zu erfinden, um damit die natürliche Familie auszulöschen, die von Gott geschaffen wurde; und all das zweitausend Jahre nach Jesus Christus: welchen Sinn kann da die Feier dieser Nacht haben? Was könnte da wohl die Botschaft von der Geburt des Herrn bedeuten? Für uns, die wir aus verschiedenen Ländern und Kontinenten in dieser Nacht versammelt sind, Laien, Ordensleute und geweihte Diener der Kirche, alle als gläubige Jünger Jesu Christi: Was bedeutet das alles für uns? Welche Botschaft erwartet ihr von mir, einem afrikanischen Bischof im Dienste des Heiligen Stuhls?
Papst Franziskus, der mit Entschiedenheit die Linie der Päpste der letzten Jahrzehnte fortführt, hat uns etwas sehr Starkes in seinem Nachsynodalen Schreiben Evangelii Gaudium gesagt: „Die Gnade setzt die Kultur voraus“. Wie können wir diese Worte des Heiligen Vaters verstehen? Wenn wir heute häufig eine Kultur leben, die Gott ausschließt und den Menschen nach dem eigenen Geschmack formt, dann werden wir unfähig, die Gnade und Liebe Gottes zu empfangen. Und eine solche Kultur zerstört den Menschen und die Gesellschaft.
So sendet Papst uns alle aus, damit die Gnade, die der Herr schenkt, von den Menschen wirklich aufgenommen werden kann.
Uns, die wir in dieser Sendung der Neuevangelisierung stehen: was bringt uns Weihnachten, dieses Weihnachten in Oschersleben?
Die Frohe Botschaft, da ist sie: die Kirche ist dabei, als brüderliche Gemeinschaft zu wachsen, als immer dichteres Netz der Solidarität. Damit meine ich, daß durch das Kommen Christi in diese Welt Gott uns zu einer neuen, wahren und tiefen Gemeinschaft beruft. Christus hat im Stall von Betlehem diese neue Familie, die Kirche, gegründet, die Himmel und Erde verbindet. Das, so könnten wir sagen, ist die wahre Globalisierung, durch die Menschen aus allen Ländern und Kulturen vereint werden. Sie werden wahrhaft Brüder und Schwestern, weil Christus solidarisch mit uns geworden ist, indem er uns zu Kindern seines Vaters macht.
Liebe Brüder und Schwestern, wir müssen wirklich staunen über dieses Wunder, daß Gott uns heute Nacht hier in dieser Freude des Glaubens alle zusammenführt!
Der heilige Lukas verortet für uns das Ereignis der Geburt Christi in Betlehem innerhalb der großen geschichtlichen Zusammenhänge der damaligen bekannten Welt, nämlich der des Römischen Reiches. Auch damals gab es in der Welt viele Krisen, Kriege und Ungerechtigkeiten. Was hat sich nun durch die Ankunft des Erlösers geändert? Oder ist er umsonst gekommen? Ist die Botschaft von Weihnachten nur eine fromme Geschichte ohne wirkliche Bedeutung für den Lauf der Geschichte? Während auch heute wie damals die Menschheit von großen Krisen geplagt wird, während Gewalttaten aller Art mit unzähligen Opfern auf dieser Welt wüten, während der Ausschluß der Kleinen und Armen weiter voranschreitet, vereint uns hier in Oschersleben die brüderliche Gemeinschaft in Christus als Angehörige verschiedener Kontinente und Nationen, um gemeinsam die Geburt des Herrn zu feiern. Das zeigt uns, daß doch wirklich etwas geschehen ist: Wir selbst sind eine Frucht der Gnade, die dieses Heilsereignis innerhalb von Raum und Zeit mit einer immerfort siegreichen Wirksamkeit hervorgebracht hat!
Meine Brüder, meine Schwestern, ich möchte eure Aufmerksamkeit auf das lenken, was diese Heilige Nacht bedeutet. Sie bedeutet, daß von Jahr zu Jahr das Ereignis der Geburt Christi in dieser Welt mit einer unaufhaltsamen Kraft seinen Fortgang nimmt. Der europäische Kontinent hatte einst verstanden, daß er zur Mission gerufen war und aus sich herausgehen sollte, um den Völkern das Evangelium zu verkünden. In dieser Nacht habt ihr einen Beweis dafür. Die Mission kommt jetzt zu euch zurück. Sie hat Früchte hervorgebracht, sie war nicht unfruchtbar. Diese Frucht – das ist die brüderliche Gemeinschaft in Christus, die wir bilden. Wir sind so ein lebendiger Teil der großen Kirche. Unsere Gegenwart als Afrikaner, die wir in dieser Nacht mit euch an der Krippe vereint sind, zeigt uns, daß die von Jesus Christus vor zweitausend Jahren begonnene wahre Globalisierung weiterhin ihre Früchte bringt.
Erinnern wir uns, daß Christus sie in Betlehem in absoluter Demut und Niedrigkeit begonnen hat. Liebe Brüder und Schwestern, schaut auf die Krippe hier. Mit Maria, Josef, dem Jesuskind und den Hirten ist in dieser kleinen Gemeinschaft die Kirche schon da als Familie Gottes. Sie ist noch ganz winzig und unscheinbar, aber doch lebendiger als jegliche Realität der Welt. Diese von Jesus begründete Familie Gottes auf der Erde verwirklicht sich in der brüderlichen Gemeinschaft der Kirche, die wir hier und jetzt unter uns erfahren. Dafür müssen wir dem Herrn danken. Er ruft uns in dieser Heiligen Nacht auf, von neuem als Missionare herauszugehen, damit diese Familie Gottes sich immer weiter ausbreite.
In diesem Sinn sagt uns der Papst, daß die Kirche heute in alle Richtungen und auf allen Ebenen hinausgehen muß. Das geschieht durch jeden und jede von uns, durch das Wirken unserer Pfarrei, durch das Lebenszeugnis unserer Ehepaare und unserer Familien.
Ja, meine Brüder und Schwestern, Christus wird in dieser Nacht unter uns geboren, das heißt in der brüderlichen Gemeinschaft, die wir bilden. Machen wir uns das bewußt und freuen wir uns darüber!
Möge keine Krise, auch wenn sie uns selbst betrifft, uns diese Freude nehmen. Diese wahre Globalisierung echter Brüderlichkeit mit den Nahen und den Fernen, ist fähig, die Übel zu überwinden, die unsere Gesellschaften zerstören und auch uns als Einzelpersonen. In der Kraft dieser Gemeinschaft widerstehen wir der Versuchung, eine Gesellschaft ohne Gott zu errichten, die sich am Ende selbst zerstört.
Denn heute geht es nicht mehr so sehr um den Kampf zwischen einzelnen Nationen. Sondern der große Kampf, der sich heute abspielt, ist ein ideologischer Kampf. Die westliche Kultur hat Gott aus ihrer Mitte verbannt und ist dadurch in eine große Krise gelangt. Diese westliche Kultur, die ihre Mitte verloren hat, droht nun durch ihre technische und ökonomische Vormacht die anderen Kulturen zu vernichten, welche den Vorrang Gottes und damit auch seines Geschöpfes, des Menschen, als ihr Fundament ansehen.
Wir müssen wachsam sein. Diese Art von Kultur, die uns umgibt und die wir manchmal selber leben, kann radikal der Gnade Gottes entgegengesetzt sein. Um es zu sagen wie Papst Franziskus: Lassen wir uns vom bösen Geist nicht die Gnade stehlen! Und wachen wir daher darüber, welche Entscheidungen wir auf der kulturellen Ebene treffen! Das betrifft euch alle, liebe Brüder und Schwestern, nicht nur die Großen und Mächtigen der Welt. Lebt in eurem Alltag und in euren Familien so, daß ihr die Gnade Gottes annehmen könnt!
Entscheiden wir uns also noch heute Nacht von neuem für diese Kultur der wahren Brüderlichkeit in Christus! Sie allein hat die Zukunft auf ihrer Seite. Sie entspringt aus dem missionarischen Hervorgehen des Sohnes vom Ewigen Vater.
Und von dieser Heiligen Nacht an soll diese Bewegung sich neu fortsetzen im Leben eines jeden und einer jeden von uns zur größeren Ehre Gottes. Amen!