Predigt zur Osternacht 2018

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Liebe Brüder und Schwestern,

die Israeliten waren wirklich in einer schlimmen, aussichtslosen und verzweifelten Lage. Hinter ihnen die feindlichen Ägypter, der Pharao mit seiner ganzen Streitmacht, mit Streitwagen und Reitern. Vor ihnen das Meer. Das bedeutete, sie würden binnen kurzer Zeit entweder den Feinden in die Hände fallen oder den Freitod im Wasser wählen müssen. Hinter ihnen Tod. Vor ihnen Tod. Sie hatten Mose vertraut. Und nun mußten sie annehmen, daß entweder Mose ein Schwindler gewesen war oder Gott selbst sie ins Verderben stürzen wollte. Eine Situation, die an Dramatik kaum zu überbieten ist. Heute nacht, liebe Christen, geht es nicht um Ostereier und Osterhasen und ein bißchen Frühlingsfreude, sondern um ein Drama, eine Kampf, es geht um Gut und Böse, um Leben und Tod, um Himmel und Hölle, um alles! Und nicht geht es um irgendwelche Theorien, Mythen und Rituale, sondern um uns selbst geht es dabei!

Nicht zufällig gehört diese Lesung aus dem Buch Exodus unbedingt zur Liturgie der Osternacht und darf niemals ausgelassen werden. Ich weiß, daß einige von uns, die ein gutes Herz haben, die „armen Ägypter“ bedauern, die am Ende tot am Strand liegen, weil Gott sein Volk auf wundersame Weise gerettet hat, und daß sie fragen, warum die Kirche uns immer noch solch grausame Geschichten in der doch eigentlich freudigen Osternacht aufträgt. Und andere fragen sich vielleicht historisch-kritisch, ob so ein Wunderbericht überhaupt für den modernen Menschen noch glaubwürdig sein kann. Aber, liebe Brüder und Schwestern, wer so herangeht, verpaßt den Punkt, auf den es heute nacht ankommt.

Erinnern wir uns an die Erste Lesung, den Schöpfungshymnus aus dem Buch Genesis. Wie in einem Refrain heißt es immer wieder: „Gott sah, daß es gut war.“ Und nach der Erschaffung des Menschen heißt es sogar: „Gott sah alles an, was er gemacht hat: Es war sehr gut.“ Wenn ein Kind geboren wird in unseren Familien, freuen wir uns dann nicht auch und sagen: „Es ist gut, es ist sehr gut“? Aber dann kommt der Ernst des Lebens. Und am Ende stehen wir am Sarg. Und es gibt soviel Böses in der Welt, soviel Leid, soviel Schrecken, soviel Haß, soviel Ungerechtigkeit. Kann man dann wirklich sagen: Es ist gut, es ist sehr gut? Und gerade in Bezug auf den Menschen: Ist es nicht so, daß das meiste Übel in der Welt gerade durch den Menschen selbst entsteht, so daß manche in einer Art von Selbsthaß der Meinung sind, es wäre besser für die Welt, wir wären alle gar nicht da? Und ist nicht auch manch Einzelner manches Mal versucht, die schlimme Sünde zu begehen und sich zu wünschen, selbst nicht mehr dazusein? Brüder und Schwestern, es geht nicht nur um die Israeliten vor vielleicht 3400 Jahren, es geht um uns. So müssen wir die Bibel lesen und hören. Schon Paulus, der eine Ausbildung bei den Rabbinern bekommen hatte, las das Alte Testament auf diese Weise. Es geht nicht nur um in der Geschichte versunkene Geschehnisse, es geht um uns. Das war Paulus ganz klar. Und auch die Gebete, die wir heute hören, sagen uns, wie wir diese Lesung verstehen können. Zum Beispiel gleich bei der Segnung des Taufwassers, mit dem ich morgen ein Kind taufen darf, wird es heißen: „Als die Kinder Abrahams, aus Pharaos Knechtschaft befreit, trockenen Fußes das Rote Meer durchschritten, da waren sie ein Bild deiner Gläubigen, die durch das Wasser der Taufe aus der Knechtschaft des Bösen befreit sind“ (MR, Osternacht 42: Segnung des Taufwassers). Der hl. Kirchenvater Basilius von Cäsarea schrieb: „‘Wer ist weise und versteht das?‘“ Ja, ein bißchen Weisheit brauchen wir schon! „‘Wer ist weise und versteht das?‘, – schreibt der Heilige – wer versteht, wie das Meer Vorbild der Taufe ist, indem es vom Pharao trennt, wie auch das Bad der Taufe von der Tyrannei des Teufels. Das Meer verschlang damals den Feind in sich, jetzt stirbt unsere Feindschaft gegen Gott. Das Volk stieg unversehrt aus dem Meer, auch wir steigen aus dem Wasser wie Lebende aus den Toten, durch die Gnade dessen, der uns rief, gerettet.“ (Über den Heiligen Geist, 14,31)

Ja, wer ist weise und versteht das? Wir müssen es verstehen, Brüder und Schwestern, sonst können wir uns nicht darüber freuen. Der Auszug durch das Rote Meer, die Taufe des Mose ist ein Schatten, ein Traum, ein Bild, denn damals wurde noch nicht Vergebung gewährt und noch nicht das ewige Leben geschenkt. Der hl. Basilius fragt deshalb: „Warum also stellst Du die beiden Taufen auf die gleiche Ebene…, die in Wirklichkeit sich unterscheiden wie der Traum von der Wahrheit, wie Schatten und Bilder von den existierenden Dingen?“ (15,32)

Es geht, Brüder und Schwestern, um den Sieg über den Teufel, über das Böse, diesen Sieg der uns von Christus durch die Taufe und ein gläubiges Leben geschenkt ist. So kann der Christ sagen: Ja, es gibt viel Schlimmes und Böses in der Welt, aber ich gehöre zu Christus, der durch seine Auferstehung den Tod besiegt hat, nicht nur den Tod als Ende unserer Existenz, sondern den Tod als ewigen Tod der Hölle, als endgültige Verlorenheit aufgrund der Trennung von Gott, in die wir hineingeboren worden sind. Und am Ende muß dann auch das Böse, was wir erfahren, dem Guten dienen.

Fragen wir aber: Ist es nicht eigenartig, daß es in der Lesung aus dem Buch Exodus hieß, Gott habe gesagt: „Ich aber will das Herz der Ägypter verhärten“? Soll man annehmen, daß Gott das Böse verursacht, daß Gott den Pharao zum Bösen gebracht hat, um dann seine Macht an ihm zu erweisen? Nein, diese biblische Ausdrucksweise macht deutlich, nicht, daß Gott das Böse will, sondern daß auch das Böse am Ende dem Guten dienen muß. Und so ist es auch bei uns: Wenn wir wirklich aus der Taufe und unserem christlichen Glauben leben, wenn wir uns wirklich von Christus, dem neuen Mose, durch das Meer führen lassen, dann wird auch das Böse, dann werden die Pharaonen unseres Lebens, all das, was uns in unserem Leben bedroht und was wir oft leidvoll erfahren, am Ende dem Guten dienen müssen. Dann können wir wirklich wieder sagen: es war gut, es war sogar sehr gut. Dann ist es keine falsche Tröstung, wenn eine Mutter ihrem weinenden und verängstigten Kind sagt: „Alles wird gut.“ Darum ist heute nacht eine Nacht des Lichtes und der Freude.

In einem Buch wird die mindestens fünfstündige Osternacht in einer ägyptischen Kirche beschrieben: Der Zelebrant schickt einen der Diakone zu einem Seitenaltar, um dort hinter dem Vorhang nach dem Grab Christi zu schauen. Der Diakon schaut nach, sieht keinen Leichnam und ruft dann voll Erstaunen aus: „Christus ist auferstanden! Χριστὸς ἀνέστη!“ Und das ganze Volk, die ganze Kirche antwortet voller Staunen und Freude mit donnernder Stimme dasselbe: „Χριστὸς ἀνέστη! Χριστὸς ἀνέστη! Christus ist auferstanden!“ Dann wird eine Fahne des Auferstandenen nach vorn getragen. Wem es im Gedränge glückt heranzukommen, küßt die Hand, die sie berührt hat.

Osterliturgie will nichts anderes sein als das: den Auferstandenen berühren und von Ihm berührt werden.

Möge auch uns, Brüder und Schwester, heute nacht diese überschwengliche Freude ergreifen, diese Freude, die aus dem Glauben kommt und die weiß: Ja, der Gekreuzigte lebt, der Auferstandene ist da, mitten unter uns, wirklich. Wir haben Ihn berührt und Er uns.

Es ist gut. Es ist sehr gut, was unser Gott gemacht hat. Amen