Betrachtung zum Fest der Taufe des Herrn

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Es geht um unser Leben. Es geht um jeden von uns. Am Anfang unseres irdischen Lebens und am seinem Ende stehen zwei große, geheimnis-volle Ereignisse. Wir werden geboren und wir sterben. Bevor wir geboren wurden, haben wir für einige Monate unter dem Herzen unserer Mutter schon existiert, aber wir waren für die Welt noch unsichtbar. Unser Anfang in dieser Welt liegt im Dunkeln, im ganz Kleinen. Der Anfang unseres irdischen Lebens und sein Ende sehen uns ganz ohnmächtig. Niemand hat uns gefragt, ob wir leben wollen. Wir wurden gezeugt und sind ohne unser eigenes Zutun ins Leben gekommen. In keiner Weise konnten wir beeinflussen, wann und wo wir in dieses Leben traten. Für die allerwichtigste Frage wurden wir nicht konsultiert. Plötzlich waren wir da. Und später erst sind wir zu unserem Selbstbewußtsein erwacht. Und eines Tages sterben wir. Wie wird das sein? Auch dann werden wir wieder ganz ohnmächtig. Unsere Selbstbestimmung nimmt immer mehr ab. Selbst wenn jemand die schreckliche Sünde begeht und sich selbst das Leben nimmt, kann er nur Zeit und Ort seines Todes beeinflussen, aber nicht die Tatsache des Sterbens an sich. Geborenwerden und Sterben sind die großen Geheimnisse unseres Lebens. Von Anfang zum Ende unseres irdischen Lebens spannt sich ein Bogen über unsere Existenz, unter dem sich alle kleinen und großen Ereignisse unseres Lebens abspielen. Der Umgang mit diesen beiden Geheimnissen prägt menschliche Kulturen seit der Urzeit. Der moderne Mensch verdrängt sie. Und er versucht, beides zu manipulieren, etwa durch künstliche Befruchtung und Euthanasie. Aber Geburt und Sterben zeigen uns, daß wir trotz aller Technik in der Hand einer höheren Macht liegen. Daß wir das Entschei-dende nicht aus uns selbst haben: das Ins-Dasein-Kommen und das Im-Dasein-Erhalten-Werden. Geborenwerden und Sterben sind das Grundgeheimnis unseres Lebens. Tiere verenden, aber sie denken nicht darüber nach. Der Mensch verendet nicht, er stirbt. Er hat eine unsterbliche Geistseele. Der Mensch denkt als einziges Wesen an seinen Tod und er denkt darüber nach. Seit alters her wissen und spüren Menschen, daß etwas Unsterbliches in ihnen wohnt, aber das Geheimnis bleibt vorerst dunkel, denn aus eigener Kraft können wir dem Tod nichts entgegensetzen noch über ihn hinausblicken. — Heute feiern wir das Fest der Taufe des Herrn. Die meisten von uns sind schon getauft. Manche möchten getauft werden. Niemand kann sich selber taufen. Ist kein Priester oder Diakon zur Stelle, kann auch ein Laie eine Nottaufe vornehmen, sogar ein ungetaufter Mensch könnte im Notfall einen anderen taufen, wenn er tun will, was die Kirche tut. Aber niemand kann sich selber taufen. Denn auch niemand kann sich selber ins Leben rufen. — Heute feiert die Kirche, daß Jesus getauft wurde. „Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen“, so berichtet Lukas. Auch Jesus wurde geboren, aber Seine Existenz begann nicht mit der Zeugung im Mutterleib, denn Er ist der ewige Sohn Gottes, der schon immer existiert, gezeugt vom Vater vor aller Zeit. Als Mensch hat Er einen Anfang in der Zeit. Wir feiern das am 25. März, zu Märiae Verkündigung, und dann neun Monate später zu Weihnachten. Als Gott existiert der Sohn seit jeher. Auch Jesus stirbt. Er stirbt am Kreuz. Er – der Unschuldige – teilt unseren Tod, der eine Sündenstrafe ist. Aber Sein göttliches Leben kann vom Tod nicht besiegt werden. Seine Ohnmacht am Kreuz ist schon Sieg, Sieg über Sünde, Tod und Hölle. Der Vater weckt Ihn durch den Geist am Ostermorgen. Auferstehung. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten“, sagen die Engel den Frauen am Grab. — Jesus läßt die Taufe an sich geschehen, damit alle, die auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werden, mit Seinem Geborenwerden und Seinem Sterben verbunden werden, mit Seinem Sterben und mit Seinem Geborenwerden. Das Untertauchen ist ein Sterben. Im Übergießen mit dem Taufwasser geschieht dieses Untertauchen, dieses Sterben, dieses Ertrinken. Aber es ist ein neues Sterben, es ist ein Tod mit Jesus Christus. So kann Paulus den Getauften einmal schreiben: „Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott“ (Kol 3,3). Deswegen hat ein Christ keine Heidenangst vor dem Tod mehr, weil er ja in der Taufe schon gestorben ist. Nachdem der Täufling im Wasser untergeht, taucht er wieder auf. Das Wort „Taufe“ kommt von „Tauchen“. Es ist ein Untertauchen, ein Sterben. Und ein Auftauchen, ein Geborenwerden. In unserem irdischen Leben kommt erst der Geburtstag, dann der Sterbetag. Im Taufgeschehen kommt erst das Sterben, dann das Geborenwerden. Aber es ist eine Geburt nicht fürs irdische Leben, sondern fürs ewige. Als Kinder Gottes empfangen wir ein unsterbliches Leben. Der Vater sagt zum Sohn: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ — Durch das Sakrament der Taufe werden wir in diese Kindschaft mit hineingenommen. Durch Christus werden wir Adoptivkinder des ewigen Vaters. Unser Anfang und unser Ende liegen in Seiner Hand. Der Jordan, in dem Christus getauft wird, wird auf manchen Ikonen wie ein Grab dargestellt. In seinem Untergetauchtwerden durch Johannes ist sein Erlösertod am Kreuz gemeint, in Seinem Auftauchen aus dem Wasser die Auferstehung am Ostermorgen. Das Leben eines Getauften steht unter diesem Geheimnis. In jeder guten Beichte tauchen wir geistig wieder in das Taufwasser ein. Über uns steht kein blindes Schicksal, sondern der Ruf, als Kinder Gottes zu leben und durch den Tod für die Ewigkeit geboren zu werden. Anders als beim irdischen Leben ist hier jedoch unsere Zustimmung, unser Ja, unsere freie Entscheidung gefragt. Gott gibt uns die Gnade dazu. Amen

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