Ich bin stolz, ein Mensch zu sein

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Weihnachten 2017

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Weihnachten bedeutet die Freude darüber, daß wir des menschgewordenen Gottes ansichtig werden, der gekommen ist, uns zu erlösen.

Wir stehen vor einem absolut staunenswerten Wunder, vor dem unbegreiflichen Mysterium der Menschwerdung, der Fleischwerdung Gottes. Wir sind hier in der Kirche versammelt, weil wir mit der Katholischen Kirche aller Zeiten glauben und bekennen, daß wir hier nicht einem Märchen huldigen, sondern ein Mysterium begehen.

Um die Größe dieses Wunders zu erahnen, müssen wir zunächst versuchen, uns das ganze Gewicht des Wortes „Gott“ vor Augen zu führen. Gott ist volkommen, allmächtig, allwissend, allweise, allgegenwärtig, der Schöpfer der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Welt, der Urgrund allen Seins. Er steht unendlich über allen Mächten und Gewalten, Er ist das Geheimnis aller Geheimnisse, unnahbar und unaussprechlich, dreimal heilig. Wie es auf dem Grab des hl. Ignatius stand: „Nicht eingegrenzt vom Größten und dennoch einbeschlossen vom Kleinsten, das ist göttlich.“ Wer kann sich diesen Gott vorstellen, wer Ihn begreifen? Augustinus sagt: „Wenn du ihn verstanden hast, ist es nicht Gott.“ Er steht unendlich über uns, hoch und erhaben. Die Engel dienen Ihm mit nie endendem Lob. Und zu Mose spricht ER: „Kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.“ (Ex 33, 20)

Weihnachten feiern heißt nun bekennen, daß Gott Mensch geworden ist. Was für ein Wunder! Mensch, d.h. ein Wesen wie wir, in allem uns gleich außer der Sünde. Sterblich, durch den Leib begrenzt, hungernd, dürstend, frierend, anderer Menschen bedürfend, mit menschlichen Herzensregungen, unsere Ängste und Freuden teilend, eben Mensch aus Fleisch und Blut. Ganz Mensch und doch auch ganz Gott, die zweite Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Der „ Sohn Gottes, hat … mit menschlichen Händen … gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt“ (GS 22)

Die Menschwerdung Gottes ist eine ungeheure Aussage über Gott, aber auch über den Menschen, über uns Menschen, jeden und jede von uns. Die Kirche lehrt, daß die Menschwerdung Gottes nicht bedeutet, daß Jesus zum Teil Gott und zum Teil Mensch wäre. Die beiden Naturen Christi, die göttliche und die menschliche, sind, wie das Dogma sagt: vollkommen „unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt[i]. Er ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch. Unbegreifliches Weihnachtsgeheimnis!

Wenn Dich jemand fragt: „Wer bist Du?“, dann sagst Du Deinen Namen. Und wenn er fragt: „Was bist Du?“, antwortest Du vielleicht: „Ich bin ein Mensch.“ Aber was antwortest Du, wenn dann gefragt wird: „Und was ist das, ein Mensch?

Die Menschwerdung Gottes, die wir zu Weihnachten feiern, ist entscheidend für diese Frage: Was ist menschlich? Wir sind ja gewohnt, etwa zu sagen: „Jemand hat sich menschlich verhalten“ oder: „Dieses Verbrechen ist unmenschlich“. D.h. wir haben eine bestimmte positive Vorstellung von Menschlichkeit, obwohl uns doch die Geschichte der Menschheit belehren müßte, daß nur Menschen zu bestialischen Quälereien anderer in der Lage sind, während die Bestien anderen Tieren nur in gewissen Grenzen unnötige Leiden zufügen. Warum sagen wir daher nicht vielmehr: „Das ist aber untierisch?“

Warum haben wir trotz aller negativen Erfahrungen immer noch eine so hohe Meinung von der Menschlichkeit, daß wir Grausames und Perverses als unmenschlich bezeichnen? Liegt es vielleicht daran, daß in uns eine Erinnerung daran wach geblieben ist, daß wir nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurden? Daß trotz aller Besudelung das Wasserzeichen Gottes in uns immer noch da ist? Ja, so glaubt es die Kirche. Die gute menschliche Natur ist zwar durch die Sünde schwer verletzt, aber nicht ganz zerstört. Nur von Gott, nur von unserem Ursprung her, können wir erfahren, was echte, ursprüngliche Menschlichkeit bedeutet und was gelingendes menschliches Leben wirklich ist. Und das wollen wir doch alle, daß unser Leben gelingt! Weihnachten ist so auch die Botschaft an jeden von uns: Dein Leben kann gelingen.

So vieles zieht uns in dieser Welt nach unten und in den Dreck. Und hat nicht jeder schon einmal, nachdem er unter sich selbst oder unter anderen gelitten hat, nachdem er sich ganz entwürdigt vorkam, das Gefühl gehabt: Ich bin doch kein Mensch mehr? Auf tausend Weisen wird täglich das Menschliche angegriffen und verhöhnt. Manche hassen sich selbst. Und manche sind schon soweit, daß sie das Aussterben der Menschheit für die Rettung der Welt halten (wie Prinz Philip, der als tödlicher Virus wiedergeboren werden möchte, um die angebliche menschliche Überbevölkerung zu reduzieren). Das Bild des Menschen ist so besudelt, daß wir von uns aus gar nicht mehr sehen können, wer der Mensch eigentlich ist. Deshalb ist Weihnachten nicht nur eine Offenbarung Gottes, sondern auch eine Offenbarung des wahren Menschseins. Einer der Lieblingssätze des großen Papstes Johannes Pauls II war: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf.“ (GS 22) Immer wieder zitierte er dieses Wort aus dem letzten Konzil. Durch Jesus Christus, der als das Kind in der Krippe, aber auch als der erwachsene Mann der menschgewordene Sohn Gottes ist, erkennen wir erst wirklich, wer der Mensch ist und was Menschlichkeit wirklich bedeutet. Wenn wir Ihn kennenlernen, erfahren wir, wer wir selber sind.

Wenn wir in diesen Tagen das Kind in der Krippe betrachten und es verehren, dann können wir es auch bitten: Zeige mir immer mehr, wer Du bist, aber auch, wer ich bin, wer wir Menschen wirklich sind. Hilf mir, immer mehr wahrer Mensch zu werden und so auch Gott näherzukommen. Hilf mir dabei, auch wenn ich mich manchmal selbst verachte, mir so unwürdig vorkomme und mich lieber nach unten als nach oben ziehen lassen möchte.

Ja, wenn wir vor der Krippe knien und mit diesem Gott sprechen, der Mensch geworden ist, erst dann geht uns auf, wer wir selber sind. Und was für eine große Berufung wir haben. Und wie groß der Abstand ist. Und doch wagen wir zu bitten: „Bilde unser Herz nach Deinem Herzen!

Jesus ist das „das Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1, 15), und Er ist der vollkommene Mensch. Durch ihn wird wieder sichtbar, daß wir nach Gottes Ebenbild  erschaffen wurden.

Klingt das alles zu theoretisch? Nein, das ist keine bloße Theorie. Wenn wir uns vom Weihnachtsgeheimnis ergreifen lassen, wenn wir wirklich glaubend und anbetend niederknien, dann geht uns auf, wer wir selbst sind, dann wird unter allen möglichen Verkrustungen unsere wahre menschliche Identität befreit: Ich bin Mensch, geschaffen als Mann oder als Frau nach dem Bild und Gleichnis Gottes, aus der Liebe Gottes kommend und für die Liebe Gottes bestimmt. Es ist, wie der hl. Athanasius gesagt hat:  Das Wort Gottes ,,wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden“ (Athanasius, inc. 54,3).

Was für eine große Berufung, die uns Weihnachten offenbart!

 

Amen

 

 

 

[i] Konzil von Chalcedon (451): „Wir folgen also den heiligen Vätern und lehren alle übereinstimmend: Unser Herr Jesus Christus ist als ein und derselben Sohn zu bekennen, vollkommen derselbe in der Gottheit vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch derselbe, aus Vernunftseele und Leib, wesensgleich dem Vater der Gottheit nach, wesensgleich uns derselbe der Menschheit nach, in allem uns gleich außer der Sünde, vor Weltzeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, in den letzten Tagen derselbe für uns und um unseres Heiles willen [geboren] aus Maria, der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt zu erkennen, in keiner Weise unter Aufhebung des Unterschieds der Naturen aufgrund der Einigung, sondern vielmehr unter Wahrung der Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen und im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase, nicht durch Teilung oder Trennung in zwei Personen, sondern ein und derselbe einziggeborene Sohn, Gott, Logos, Herr, Jesus Christus, wie die Propheten von Anfang an lehrten und er selbst, Jesus Christus, uns gelehrt hat, und wie es uns im Symbol der Väter überliefert ist.“

 

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