Predigt zum Sonntag Laetare

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4 Fastensonntag A 2020 Laetare

Brüder und Schwestern,

Jesus sagt: „Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“

Wie ich schon bereits zu Beginn der Fastenzeit sagte, gibt es bestimmte Gnaden, die bestimmten Zeiten entsprechen. Diese Zeiten sind irgendwann vorbei. In einem anderen Zusammenhang haben wir z.B. schon die Erfahrung gemacht, daß wir einen lieben Menschen noch besuchen wollten, aber dann ist er verstorben. Die Möglichkeit ist ungenutzt verstrichen. Bestimmte Gnaden werden uns für eine bestimmte Zeit angeboten, die wieder vorbei gehen kann.

Am 23. Februar habe ich vielen von Ihnen die Nachricht gesandt, daß wir vielleicht bald nicht mehr zur Kirche gehen können; und daß wir es jetzt tun sollen, solange wir noch können. Nun ist es wirklich so gekommen, daß alle öffentlichen Gottesdienste abgesagt werden mußten. Nur noch in kleinsten Gruppen und ohne Einladung und ohne öffentlichen Zugang ist es erlaubt. In den nächsten Stunden oder Tagen wird möglicherweise auch das noch eingeschränkt durch eine Ausgangssperre oder ähnliches. „Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“

Zur Beichte gehen können wir noch. Es ist erlaubt mit zwei Meter Abstand zwischen Pönitent und Priester. Deswegen steht die Kniebank zum Beichten jetzt offen in der Kirche; und wenn mehrere kommen, müssen die anderen draußen warten, bis sie dran sind. Noch ist es möglich. Die wunderbare Zweite Lesung paßt dazu, wo Paulus sagt: „Alles, was aufgedeckt ist, wird vom Licht erleuchtet. Alles erleuchtete aber ist Licht.“ Im Bekenntnis unserer Sünden decken wir auf die Werke der Finsternis in uns. Und in der sakramentalen Vergebung werden unsere Herzen vom Licht erleuchtet. Und so werden wir selbst wieder hell und leuchtend wie am Tag der Taufe.

Ich habe erfahren, daß es jetzt sehr schwierig ist, Krankenbesuche in den Krankenhäusern zu machen. Es kann sein, daß Menschen ohne priesterlichen Beistand sterben müssen. Sollten wir selbst in eine solche Situation kommen, müssen wir, solange wir noch bei Bewußtsein sind, die vollkommene Reue erwecken mit dem festen Vorsatz, unsere Sünden zu bekennen, wenn wir doch noch eine Möglichkeit dazu erhalten. Wir dürfen dann ein großes Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes haben. Er liebt uns und nimmt sich unser an.

Jesus sagt: „Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“

Der große Kirchenlehrer Johannes Chrysostomus kommentiert dieses Wort wie folgt:

<<Er hat aber hinzugesetzt „solange es Tag ist“. Das bedeutet, solange es den Menschen möglich ist, an mich zu glauben, solange dieses Leben Bestand hat, soll ich wirken. Und das führt er aus, in dem er fortfährt: „Es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“ Dies wird Nacht genannt nach [dem Wort] Mt 22,13: „Werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis!“ Dort also wird die Nacht sein, wo niemand mehr etwas tun kann, sondern nur empfangen, was bereits getan ist. Solange du lebst, tue es, wenn du etwas vorhast zu tun: Denn im Jenseits gibt es weder den Glauben, noch die Werke, noch die Reue. >>

Brüder und Schwestern, das sind ernste Worte, sehr ernste. Wir sind ja auch in der Fastenzeit. Und die Situation, in der wir uns mit Milliarden anderer Menschen in diesen Tagen und wohl noch eine längere Zeit befinden, ist auch ernst, vielleicht sehr ernst. Doch solange es Tag ist, ist der Ernst nie ohne Hoffnung, nie ganz ohne Freude. Heute ist der Laetare-Sonntag, in dem schon das Weiß des Ostersonntags durch das Violett der Buße scheint und es zum Rosa der Vorfreude wandelt. Im Rosa leuchtet schon der Ewige Tag auf, bei dem es keine Finsternis mehr gibt und für den Gott uns erschaffen hat.

„Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat“, sagt Jesus. Also sind es zunächst nicht wir selbst, die wirken, sondern Jesus Christus wirkt. Sein Werk besteht darin, daß Er uns Menschen den Glauben schenkt. Und durch den Glauben haben wir das Leben.

Das Werk Jesu ist vor allem, daß wir glauben. Und durch den Glauben empfangen wir das wahre und ewige Leben, das Er selbst ist.

Doch Jesus sagt nicht: „Ich muß, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat“, sondern Er sagt: „Wir müssen…“ Das Werk Jesu bedarf unserer Mitwirkung. Ohne Ihn können wir nicht glauben. Der Glaube ist Sein Geschenk, Sein Werk. Doch auch wir sind gefragt. Willst Du glauben? Öffnest Du Dich für den Glauben? Bittest Du um den Glauben? Kämpfst Du um Deinen Glauben?

Gerade in dieser Krisenzeit spüren hoffentlich viele Menschen wieder, wie wichtig der Glaube ist und was für ein großes Geschenk.

Aber wie sollen wir den Glauben leben, wie soll er genährt werden, wenn wir uns kaum noch treffen können und nur kleinste Gruppen zur Messe zugelassen werden?

Natürlich vor allem durch das Gebet und die Lesung des Evangeliums.

Aber brauchen wir nicht die hl. Messe? Viele Menschen leiden sehr, daß sie nun nicht zur Messe gehen dürfen. Und auch für uns Priester ist es traurig. Wir können zwar die Messen feiern, aber vermissen die Gläubigen in der Kirche.

Ist es nicht beeindruckend, daß viele so nachlässig geworden waren in ihrer Heiligung des Sonntags und ihre Plätze so oft leer blieben, und daß es nun umgekehrt ist, daß nun die Möglichkeit so beschränkt ist, daß nur ganz wenige kommen können? Daß die hl. Kommunion so oft profaniert und entehrt wurde. Und daß es nun kaum noch möglich ist, sie zu empfangen? Vielleicht bringt uns all das zu einer Vertiefung des Glaubens, zu einer Umkehr und neuen Ehrfurcht und Wertschätzung für Gottes Gaben.

Am Sonntag zelebriere ich um 7 Uhr eine zusätzliche Hl. Messe. Ich habe die Ordensschwestern angeregt, darüber nachzudenken, gelegentlich z.B. wochentags auf die hl. Messe zu verzichten, um einer anderen Person die Möglichkeit zu geben.  Und wer diese Möglichkeit hat, sollte sie auch immer stellvertretend etwa für seine ganze Familie wahrnehmen. Das Wort „Privatmesse“ ist mißverständlich. Selbstverständlich ist die hl. Messe niemals eine Privatangelegenheit. Immer sind wir verbunden mit der ganzen Kirche und den Herzen aller Gläubigen.

Aber was sollen nun all jene tun, die nicht gehen können und so gern dabei wären?

Was ist die Antwort? Darauf möchte ich jetzt etwas näher eingehen, da uns diese Frage in der nächsten Zeit sehr betreffen wird.

Das dritte Gebot sagt uns, daß wir den Tag des Herrn heiligen sollen. Und das Kirchengebot sagt uns, daß wir an jedem Sonntag die hl. Messe mitfeiern sollen.

Und wer ein echter Christ ist, sieht dies sowieso nicht als äußeres Gebot an, sondern als ein inneres und brennendes Bedürfnis.

Die Bischöfe haben nun von der Sonntagspflicht vorübergehend dispensiert. Es ist ohnehin ganz klar, daß es keine Sünde ist, wenn ich nicht zur Messe gehe, weil ich nicht gehen kann.

Aber wie gehe ich mit dieser Situation um?

Ich versuche zunächst einmal, trotzdem den Tag des Herrn zu heiligen, d.h. daß ich mich ausruhe, daß ich Zeit habe für die Gemeinschaft, die Familie, den Ehepartner, die Kinder, die Eltern, den Freund; Zeit für das Schöne, Zeit vor allem für Gott, für das Gebet.

Was hingegen wäre ganz falsch? Ganz falsch wäre folgende Haltung: Ich kann nicht zur Messe gehen. Und darum mache ich aus dem Tag des Herrn einen stinknormalen Tag, hänge am Fernsehen oder Internet herum, habe für alles Zeit, nur nicht für Gott und meine Seele und meinen Nächsten.

Einige von Ihnen kennen Paulin, den Mann aus Albanien, der mal eine Zeit lang bei mir zu Gast war. In Albanien waren Gottesdienste unter den Kommunisten staatlich aufs strengste verboten, die meisten Priester erschossen oder eingesperrt und die Kirchen zerstört oder umfunktioniert. Die Großmutter von Paulin, von der ich eine handgearbeitete kleine Tischdecke habe, lief jeden Sonntag vier Stunden zu Fuß bis zur Kathedrale in der Stadt, die heute wieder Kathedrale ist, aber damals eine Sporthalle war. Sie lief dorthin, zu Fuß, vier Stunden hin und vier zurück. Und wenn sie jemand mit dem Auto mitnehmen wollte, lehnte sie ab. Wenn sie angekommen war, drückte sie von außen ihre Hand an das Kirchengebäude und betete inbrünstig. Dann ging sie zurück.

Die Sehnsucht nach Gott, auch die Sehnsucht nach der hl. Liturgie und dem Empfang der Sakramente war in ihr ganz wach und brennend. Deshalb war sie auch in dieser Notzeit fest mit ihrem Gott verbunden. Sie hatte eine Weise gefunden, ihren Kirchgang auch ohne hl. Messe zu leben. Sie hat sich nicht mit einem oberflächlichen Gebet zufriedengegeben. Deshalb hat der Glaube in ihr überlebt.

So wollen auch wir es halten, liebe Brüder und Schwestern.

Nicht die Sehnsucht sterben lassen, sondern sie befeuern.

Nun sagen manche: Ich kann nicht gehen, aber ich gucke die Messe im Fernsehen oder im Internet. Ich will nicht in Abrede stellen, daß man fromm eine hl. Messe im Fernsehen verfolgen kann. Ich habe das früher vor allem bei Übertragungen aus Rom auch oft gemacht. Aber ich glaube, die Fernsehmesse ist nicht die Lösung.

Große katholische Denker haben davor gewarnt, z.B. der Philosoph Josef Pieper.

Der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenspendung, Kardinal Sarah, schreibt zu diesem Thema in einem 2019 erschienen Buch:

„Ich weiß, daß Kranke und Alte auf diese Weise ihren Glauben stärken können. Aber man kann nicht Gott finden, indem man ein Fernsehprogramm anschaut. Gott ist eine reale Gegenwart, verborgen im Tabernakel. Ein Bild ersetzt niemals eine intime Begegnung. Der Vater akzeptiert keine fiktive Vermittlung, um eine Seele wachsen zu lassen. Machen wir uns nichts vor und sagen wir nicht, daß wir Gott begegnet seien und am eucharistischen Opfer teilgenommen hätten, indem wir eine Fernsehübertragung verfolgt haben. Niemand kann behaupten, an der Beisetzung seiner Mutter teilgenommen zu haben, dadurch daß er einen Film vom Requiem und von der Beerdigung gesehen hat. Das würde bedeuten, unsere Beziehungen zu Gott ihrer Natur zu entkleiden und sie der technischen Vermittlung zu unterwerfen. Keine wirklich intime menschliche Beziehung kann durch das Medium einer Maschine aufgebaut werden.“ (Le soir approche et déjà le jour baisse, S. 297)

Brüder und Schwestern, so wie man keinen über den Bildschirm umarmen oder küssen kann, so kann man auch nicht über den Bildschirm wirklich an einer hl. Messe teilnehmen.

Vielleicht sind Sie jetzt enttäuscht und sagen: Was bleibt mir den dann noch? Ich will auch nicht sagen, daß man nicht auch mit Gewinn eine Messe über den Bildschirm mitverfolgen kann; aber ich will vermeiden, daß wir uns einbilden, was nicht ist, vermeiden, daß wir einer Fiktion erliegen. Die Feier der Sakramente und die Mitfeier des eucharistischen Opfers kann niemals virtuell erfolgen, sondern nur leibhaftig und unmittelbar.

Was aber tun? Hat Gott uns ganz verlassen und aufgegeben?

Was können wir nun tun?

Das Erste ist, daß ich mir mindestens soviel Zeit nehme, wie ich auch sonst brauche, um zur Kirche zu gehen und die Messe mitzufeiern. Diese ein bis zwei Stunden will ich jetzt an diesem Sonntag ganz für den Herrn reservieren, indem ich bete, indem ich sein Wort lese, vielleicht dasselbe Evangelium wie es heute in der Kirche gelesen wird. Besser noch ist es, wenn wir das gemeinschaftlich tun, uns als Familie vor dem Kreuz und dem Marienbild versammeln und zusammen hören, bitten, danken, loben und die Sehnsucht erwecken.

Und dann gibt es die sogenannte Geistliche Kommunion. Ich habe am letzten Sonntag ein schönes Gebet dazu ausgelegt.

Geistliche Kommunion heißt aber nicht, daß ich mal so eben ein kleines Gebetchen spreche. Und schwuppdiwupp käme der Sohn Gottes in mein Herz, weil ich ja heute verhindert bin, Ihn im Allerheiligsten Sakrament zu empfangen.

Nein, Geistliche Kommunion heißt in großer und tiefer Ernsthaftigkeit, brennender Hoffnung und sehnsuchtsvoller Liebe den Herrn bitten, mich mit Ihm zu vereinigen und mein Herz mit Seiner Gegenwart zu erfüllen, da ich durch äußere Gründe daran gehindert bin, Ihn zu empfangen. Die Geistliche Kommunion ist keine Technik zum Ersatz des Sakramentes, sondern eine inständige Bitte an Gott im Vertrauen, daß Er uns erhört, wenn unser Herzen wirklich bereit ist.

„Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“

Das Werk Jesu ist, daß wir glauben. Und daß wir so das Leben haben, das nicht sterben kann.

„Es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.“

Aber es kommt auch der Tag, der Ostertag und der ewige Tag ohne Ende.

Möge dieser rosafarbene Sonntag Laetare uns helfen, ermutigen und trösten, damit wir Christus in uns Sein Werk tun lassen und es mit Ihm zusammen tun, damit auch in unserem Leben nicht die Finsternis, sondern das Licht des Tages einmal das letzte Wort hat.

Amen

Chr. Sperling, 22.3.20

 

Gebet zur Geistlichen Kommunion

Mein Jesus, ich glaube, daß Du im Allerheiligsten Sakrament des Altares zugegen bist. Ich liebe dich über alles, und meine Seele sehnt sich nach Dir. Da ich Dich aber jetzt im Sakrament des Altares nicht empfangen kann, so komme wenigstens geistigerweise zu mir. Ich umfange Dich, als wärest Du schon bei mir, und vereinige mich mit Dir! Ich bete Dich in tiefster Ehrfurcht an. Lass nicht zu, daß ich mich je von Dir trenne. Amen

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